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Newsletter Bau- und Vergaberecht 31/2023

11.09.2023 | Bau- und Vergaberecht

Widerrufserklärung nicht an Verwendung eines vorgefertigten Formulars geknüpft

Der Verbraucher ist nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht nach § 650l BGB belehrt, wenn dem Verbraucherbauvertrag zwar eine Musterbelehrung nach Art. 249 § 3 Abs. 2 EGBGB i.V.m. Anlage 10 beigefügt ist, aber an hervorgehobener Stelle in den Vertragsunterlagen der unzutreffende Eindruck erweckt wird, das Widerrufsrecht müsse durch Verwendung eines bestimmten Formulars ausgeübt werden (OLG Stuttgart, Urteil vom 23.05.2023 – 10 U 33/23)

Bauherr entscheidet frei über Zusammensetzung der Bausubstanz

Es ist dem Bauherrn überlassen zu entscheiden, welche Materialien er in welcher Ausführung in sein Bauwerk einbringen lassen möchte. Für ihn kann die Vorstellung eines besseren Wohngefühls, eines besseren Schutzes der Gesundheit und einer besseren Erhaltung der Bausubstanz maßgeblich für die Entscheidung für oder gegen bestimmte Materialien oder Zusammensetzungen sein. Ist für den Auftragnehmer erkennbar gewesen, dass dem Auftraggeber ein möglichst hoher Kalkanteil im Putz wichtig war, kann er im Nachhinein nicht damit argumentieren, dass ein Putz mit einem deutlich niedrigeren Kalkanteil „genauso gut“ sei. Ob der Auftragnehmer die Überzeugungen des Auftraggebers hinsichtlich der Vorteile eines hohen Kalkanteils für falsch hält, ist ohne Relevanz, da er als Auftragnehmer nicht seine eigene Wertung an die Stelle der des Auftraggebers setzen kann. Der Auftraggeber hat daher ein berechtigtes Interesse, das auch hohe Kosten der Nachbesserung rechtfertigt. (OLG München, Beschluss vom 14.04.2021 – 20 U 6129/20 Bau;)

Treuwidrige Abrechnung nach HOAI-Mindestsatzunterschreitung hindern Architekten nicht an Berufung auf Schriftformverstoß

Erweist sich eine Abrechnung nach den Mindestsätzen der HOAI ausnahmsweise als treuwidrig, weil das Vertrauen des Auftraggebers auf das vereinbarte niedrigere Honorar schutzwürdig ist, liegen nicht zugleich die Voraussetzungen vor, unter denen der Architekt nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert ist, sich auf das Fehlen einer schriftlichen und damit formwirksamen Vereinbarung bei Auftragserteilung (§ 7 Abs. 1 HOAI) zu berufen. Hierzu bedarf es Feststellungen dazu, dass dies zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde und es daher gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich ist, sich auf die Formunwirksamkeit zu berufen (BGH, Urteil vom 03.08.2023 – VII ZR 102/22)

Mangels ausdrücklicher Vereinbarung gelten die HOAI-Mindestsätze als übliche Vergütung vereinbart

Der Architekt trägt bei einer Honorarklage nicht nur die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein Architektenvertrag geschlossen wurde, sondern auch dafür, welche Leistungen vom Auftrag erfasst waren und wie hoch die vereinbarte Vergütung ist. Mangelt es an einer Vergütungsvereinbarung, ist die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. Die Abrechnung nach HOAI-Mindestsätzen stellt die übliche Vergütung dar, einschließlich der durch die DIN 276 vorgegebenen Abrechnungsgrundsätze. (OLG München, Urteil vom 15.06.2021 – 9 U 631/20 Bau;)

Dokumentationspflicht über Kommunikation mit Bietern

Ein Auftraggeber ist zur Protokollierung der Kommunikation mit Bietern immer dann verpflichtet, wenn Angebote hinsichtlich der Qualitätskriterien mittels eines Bewertungssystems bewertet werden sollen. Dann sind die für die Zuschlagsentscheidung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend zu dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind. In sich widersprüchliche Angebote dürfen ohne vorherige Aufklärung des Angebotsinhalts weder bezuschlagt noch ausgeschlossen werden. Der öffentliche Auftraggeber hat in einer solchen Situation den betreffenden Bieter zu einer Aufklärung über den Inhalt des Angebots aufzufordern und ihm Gelegenheit zu geben, die Widersprüchlichkeit nachvollziehbar auszuräumen. Dabei darf das Angebot allerdings nur so weit aufgeklärt werden, dass klar wird, welche der beiden Verständnismöglichkeiten des in sich widersprüchlichen Angebots vom Bieter gemeint war. Lässt der Bieter die ihm gesetzte angemessene Frist zur Aufklärung ohne Antwort verstreichen oder legt er lediglich untaugliche Unterlagen vor, oder gibt er untaugliche Antworten, so ist dies einer Verweigerung der Mitwirkung an der Aufklärung gleichzusetzen, was für sich genommen bereits einen Ausschlussgrund gem. § 15 Abs. 5 VgV darstellen kann. (VK Sachsen, Beschluss vom 28.07.2023 – 1/SVK/011-23)

Unzulässiger Nachprüfungsantrag bei bloßer Verdachtsrüge

Die Anforderungen an die Darlegung einer Vergaberechtsverletzung bzw. eine Rüge gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber können nicht zu hoch angesetzt werden. Ein Mindestmaß an Substantiierung ist jedoch einzuhalten; reine Vermutungen zu eventuellen Vergaberechtsverstößen reichen nicht aus. Lediglich die Behauptung in den Raum zu stellen, dass die Bestbieterin die Anforderungen hinsichtlich des Objekteleiters nicht erfüllt habe, genügt diesen Anforderungen insbesondere dann nicht, wenn diese einzig auf der Unterschreitung der eigenen Auftragssumme beruht. (VK Hessen, Beschluss vom 26.06.2023 – 96 e 01.02/23-2023;)

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