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Newsletter Bau- und Vergaberecht 30/2023

30.08.2023 | Bau- und Vergaberecht

Kein Widerruf, wenn lediglich Annahme außerhalb von Geschäftsräumen erklärt wird

Ein Vertragsschluss bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien außerhalb von Geschäftsräumen im Sinne des § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB liegt nicht vor, wenn der Verbraucher ein vom Unternehmer am Vortag unterbreitetes Angebot am Folgetag außerhalb von Geschäftsräumen lediglich annimmt. (BGH, Urteil vom 06.07.2023 – VII ZR 151/22)

Baubetriebliches Privatgutachten keine geeignete Schätzungsgrundlage nach § 642 Abs. 2 BGB

Die Höhe einer Entschädigung des Auftragnehmers nach § 642 Abs. 1 BGB wegen Annahmeverzugs des Auftraggebers bestimmt sich gemäß § 642 Abs. 2 BGB einerseits nach der Dauer des Verzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung, andererseits nach demjenigen, was der Unternehmer infolge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann. Danach ist die angemessene Entschädigung gemäß § 642 BGB im Ausgangspunkt daran zu orientieren, welche Anteile der vereinbarten Gesamtvergütung einschließlich Wagnis, Gewinn und allgemeinen Geschäftskosten auf die vom Unternehmer während des Annahmeverzugs unproduktiv bereitgehaltenen Produktionsmittel entfallen. Bei einem Privatgutachten, in dem die geplanten Erlöse den tatsächlichen Erlösen gegenübergestellt werden, handelt es sich nicht um einen geeignete Schätzungsgrundlage, durch deren Beibringung der Auftragnehmer seiner Darlegungslast und Beweislast nach § 642 Abs. 2 BGB nachkommt. (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.09.2022 – 23 U 116/21)

Kein Umbauzuschlag für Planung einer neuen technischen Anlage in einem Bestandsbau

Bei der Planung einer vollständigen neuen technischen Anlage im Rahmen des Umbaus eines Gebäudes ist kein Umbauzuschlag zu gewähren. Demgegenüber ist ein Umbauzuschlag für den Bereich der Abwasser-, Wasser- und Gasanlagen zu gewähren, wenn Sanitärobjekte zumindest teilweise an vorhandene Wasser- und Abwasserrohre angeschlossen werden müssen und dies der Planer bei seiner Planung zu berücksichtigen hat. Das Verhältnis des Wertes der Neugestaltung der Sanitäreinrichtung zum Erstellungspreis einer Schmutzwasserleitung ist für die Frage, ob ein Umbauzuschlag zu gewähren ist, unerheblich. Der „Wert bzw. Preis“ einer Neugestaltung ist in diesem Zusammenhang nicht zu berücksichtigen. Es kommt ausschließlich auf den Einfluss der vorhandenen Bausubstanz auf die planerischen bzw. überwachenden Tätigkeiten des Architekten an. (OLG Celle, Urteil vom 02.08.2023 – 14 U 200/19)

Wärmeschutz und Energiebilanzierung zählen nicht zum Pflichtenkreis eines Architekten

Der Architekt haftet für Mängel von Sonderfachleuten nach den werkvertraglichen Gewährleistungsregeln in Verbindung mit § 278 BGB, wenn die vom Sonderfachmann zu klärende Frage zu dem vom Architekten aufgrund des Architektenvertrages geschuldeten Werkerfolg gehört. Im Rahmen der dabei vorzunehmenden Vertragsauslegung kommt vor allem dem Kriterium ein besonderes Gewicht zu, ob die gegenständliche Leistung Fachkenntnisse voraussetzt, die typischerweise von einem Architekten zu erwarten sind, oder ob die speziellen Fachkenntnisse eines Sonderfachmannes notwendig sind. Fragen des Wärmeschutzes und der Energiebilanzierung sind spezielle Ingenieurleistungen für Bauphysik und unterfallen der Fachplanung durch Sonderfachleute. Gehörten daher Leistungen zum Wärmeschutz und zur Energiebilanzierung nicht zum vertraglichen Leistungssoll des Beklagten, wäre er für den fachlichen Bereich des Wärmeschutzes und der Energiebilanzierung hingegen nur bei ihm nach seinen Fachkenntnissen offensichtlich erkennbaren Architekten Fehlern verantwortlich. Daher haftet der Architekt für Fehler auch von ihm selbst beauftragter Fachplaner nur, wenn der Fehler auf seinen unzureichenden Vorgaben beruht, wenn er einen unzuverlässigen Sachverständigen ausgewählt hat oder wenn er Mängel der Fachplanung nicht beanstandet, die nach den von einem Architekten zu erwartenden Kenntnissen erkennbar sind. (OLG Frankfurt, Urteil vom 04.05.2021 – 15 U 142/18)

Kein per se ungewöhnlich niedriges Angebot bei Unterbietung eines Mitbewerbers

Nach der Rechtsprechung ist das Vorliegen eines ungewöhnlich niedrigen Angebots anhand der Einzelposten des Angebots und der betreffenden Leistung zu beurteilen. Hinweise, die den Verdacht erwecken können, dass ein Angebot ungewöhnlich niedrig sein könnte, liegen u. a. dann vor, wenn es ungewiss erscheint, ob ein Angebot die Rechtsvorschriften im Bereich der Vergütung des Personals, der Sozialversicherungsbeiträge, der Einhaltung der Bestimmungen über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz und des Verkaufs unter Selbstkosten des Landes beachtet, in dem die Leistungen erbracht werden müssten, und ob der angebotene Preis alle mit den technischen Aspekten des Angebots einhergehenden Kosten umfasst. Gleiches gilt, wenn der in einem eingereichten Angebot angeführte Preis erheblich niedriger ist als der Preis bei den anderen eingereichten Angeboten oder als der übliche Marktpreis. Wenn der in einem eingereichten Angebot angeführte Preis erheblich niedriger ist als der Preis bei den anderen eingereichten Angeboten oder als der übliche Marktpreis, kann sich daraus der Hinweis ergeben, dass das Angebot ungewöhnlich niedrig sein könnte. Der bloße Umstand, dass der Preis des Angebots des erfolgreichen Bieters niedriger ist als der des Angebots eines anderen Bieters, kann allein jedoch nicht belegen, dass das Angebot des erfolgreichen Bieters ungewöhnlich niedrig ist. (EuG, Urteil vom 26.04.2023 – Rs. T-54/21)

Zur Zumutbarkeit einer kaufmännisch vernünftigen Kalkulation

Gemäß § 121 GWB ist in der Leistungsbeschreibung der Auftragsgegenstand so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben, so dass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können. Die Leistungsbeschreibung muss es den Bietern ermöglichen, ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten zu kalkulieren. Um dem Gebot einer hinreichend erschöpfenden Leistungsbeschreibung gerecht zu werden, muss die Vergabestelle einen der Komplexität des Auftragsgegenstands entsprechenden Aufwand betreiben und alle insoweit verfügbaren Quellen nutzen. Dem Auftraggeber ist zumutbar, durchschnittliche Werte zu ermitteln und durch Überlassung ihm zur Verfügung stehender Informationen und Zahlen eine Prognose über das Auftragsvolumen zu ermöglichen. Die Anforderung einer eindeutigen und erschöpfenden Beschreibung der Leistung hat mit der Frage, ob bestimmte Risiken auf den Auftragnehmer verlagert werden können, allerdings unmittelbar nichts zu tun. Die vom Auftragnehmer zu erbringende Leistung kann demnach klar und erschöpfend beschrieben werden und gleichzeitig können ihm, ohne dass dies ein Verstoß gegen § 121 Abs. 1 GWB darstellt, ungewöhnliche Risiken auferlegt werden, solange diese Risiken nur eindeutig benannt sind. Unzumutbar ist eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation, wenn Preis- und Kalkulationsrisiken über das Maß, das Bietern typischerweise obliegt, hinausgehen und damit den Bieter unangemessen belasten. Ob eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation unzumutbar ist, bestimmt sich nach dem Ergebnis einer Abwägung aller Interessen der Bieter bzw. Auftragnehmer und des öffentlichen Auftraggebers im Einzelfall.  (VK Lüneburg, Beschluss vom 02.03.2023 – VgK-2/2023)

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