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Newsletter Bau- und Vergaberecht 26/2023

10.08.2023 | Bau- und Vergaberecht

Widerrufsrecht bei mündlich geschlossener Nachtragsvereinbarung:

Anders als Änderungsanordnungen des Bauherren stellen Nachtragsvereinbarungen über zusätzliche Leistungen selbstständige Werkverträge dar, weil sie wie der Hauptvertrag durch Angebot und Annahme zustande kommen. Solche Verträge können nach den §§ 312 b, 312 g BGB oder nach §§ 650 i, 650 l BGB – eher unwahrscheinlich – widerrufen werden. Auch wenn solche Nachträge mit dem Hauptvertrag zusammenhängen, kann ein Widerruf solcher selbständiger Werkverträge berechtigterweise erfolgen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.04.2023 – 8 U 17/23).

Eingeschränkte Bindung des Aufmaßes:

Die Parteien haben ein gemeinsames Aufmaß genommen. In diesem Fall ist es dem Bauherren unbenommen, einzuwenden, dass eine Leistung bereits in einer anderen Position enthalten ist und nicht zusätzlich abgerechnet werden kann (OLG Brandenburg, Urteil vom 20.07.2023 – 10 U 14/23).

Belegeabgleich und Sichtprüfung bei Lieferung von Bauteilen:

Die Lieferung von Bauteilen stellt einen Handelskauf dar. Werden vielfältige Bauteile unterschiedlicher Art und Abmessungen geliefert und stammen diese von unterschiedlichen Herstellern, kann sich der Besteller nicht auf Stichproben beschränken, wenn die Kontrolle einer Zertifizierung des jeweiligen Herstellers durch Belegeabgleich und Sichtprüfung möglich ist und andernfalls erhebliche Mangelfolgeschäden drohen. Eine Mangelrüge ist dann nicht mehr im Sinne des §§ 377 Abs. 1 HGB unverzüglich erfolgt, wenn 15 Tage vergangen sind, nachdem die Ware und die Abnahmeprüfzeugnisse abgeliefert worden sind (OLG Bremen, Urteil vom 17.03.2023 – 2 U 32/20).

Verjährung der Deckung innerhalb von drei Jahren:

Architekten haben bei ihrer Inanspruchnahme Anspruch gegen ihre Berufshaftpflichtversicherung auf Deckungsschutz gegen Ansprüche der Bauherren. Solche Ansprüche verjähren zum Schluss des Jahres, in dem der Bauherr die Ansprüche ernsthaft geltend gemacht hat. Nur für die Dauer der Leistungsprüfung ist die Verjährung gehemmt, bis die Versicherung die Eintrittspflicht ablehnt (Kammergericht Beschluss vom 13.01.2023 – 6 U 191/21).

Selbständige Tätigkeit bei Planern mit Spezialsoftware:

Im Verfahren steht in Frage, ob die Erbringung von Leistungen eine abhängige und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist. Bei der Erbringung von Architektur– und Planungsleistungen ist dies nicht der Fall, wenn Anlass für die Beauftragung eine Spezialisierung und Nutzung einer eigenen patentgeschützten Software ist und die Leistungen in den Geschäftsräumen des Auftragnehmers erbracht werden. Die Kontrolle durch den Auftraggeber, ob die gesetzlichen Vorgaben vorliegen, stellt lediglich eine Überprüfung der Qualität der Werkleistung dar (LSG Baden–Württemberg, Urteil vom 12.05.2023 – L 8 BA 2807/22).

Zugang einer E-Mail nur zu normalen Behördenzeiten:

Ein Bieter rügt die Vergabestelle. Auf eine solche Rüge ist § 130 BGB anwendbar. Die Rüge muss in den Bereich der Behörden so gelangen, dass die Bediensteten unter normalen Umständen die Möglichkeit haben, vom Inhalt Kenntnis zu nehmen. Geht die Rüge an einem Freitag um 17:30 Uhr ein, ist davon auszugehen, dass der Zugang erst am Montag, der darauf folgt, erfolgt ist (OLG Dresden, Urteil vom 11.05.2022 – U 30/21K art).

Referenzen auch bei Anwaltstätigkeiten erforderlich:

Referenzen stellen bei der Auftragserteilung häufig den zentralen Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit dar. Daher können sich Vergabestellen geeignete Referenzen über früher ausgeführte Aufträge in Form einer Liste der in den letzten höchstens drei Jahren erbrachten wesentlichen Liefer– und Dienstleistungen mit Angabe des Werts, des Zeitpunkts sowie des Auftraggebers vorlegen lassen. Gerade auch im Bereich einer Rechtsberatungsdienstleistung sind derartige Referenzen als brauchbarer Nachweis für eine sachgerechte Überprüfung der Eignung der Bewerber zulässig. Die Abforderung solcher Referenzen ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die Bieter aus berufs– und/oder datenschutzrechtlichen Gründen bei den Auftraggebern ihrer Referenzprojekte eine Einwilligung einholen müssen (VK Bund, Beschluss vom 01.06.2023 – VK 1 – 37/23).

 

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