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29.09.2023 | Bank- und Prozessrecht

EuGH: Schlussanträge in Sachen VFE
28. September 2023 zu Az. C-536/22
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Mit großer Spannung wird das Verfahren vom gesamten Bankensektor verfolgt. Der „Einzelrichter aus Ravensburg“ hatte erneut ein Vorabentscheidungsverfahren zu dem Komplex Vorfälligkeitsentschädigung eingeleitet. Hierzu hatte er dem EuGH drei Vorlagefragen gestellt. Nunmehr sind die Schlussanträge des Generalanwalts der 5. Kammer des Gerichtshofs veröffentlicht. Vorgreiflich kann festgehalten werden: die Schlussanträge von Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona dürften dem Bankensektor Erleichterung verschaffen.

Das LG Ravensburg wollte mit der ersten Vorlagefrage zunächst wissen, ob die angemessene und objektive Entschädigung für die möglicherweise entstandenen, unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits zusammenhängenden Kosten nach Art. 25 Abs.3 der Richtlinie 2014/17/EU auch den entgangenen Gewinn des Kreditgebers erfassen, insbesondere hierbei die entgangenen Zinsen. Nach Ansicht des Generalanwalts stehe die Richtlinie 2014/17 einer Berücksichtigung dieser Zinsen bei der Berechnung der Entschädigung nicht entgegen. Ein Mitgliedstaat sei insoweit nicht daran gehindert, eine nationale Regelung zu erlassen, wonach in die Entschädigung nach Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie 2014/17 der Verlust der Zinsen einbezogen werde, die infolge der vorzeitigen Rückzahlung nicht mehr anfallen werden.

In der zweiten Vorlagefrage wollte das LG Ravensburg wissen, ob Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie 2014/17 bestimmte Vorgaben für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung enthalte. Zunächst führt der Generalanwalt allgemein aus, dass die Richtlinie 2014/17 auf keine bestimmte Art der Berechnung der dem Kreditgeber zustehenden Entschädigung verweise und die Berechnungsmethode daher im Ermessen der Mitgliedstaaten liege.  Die Bedingungen der Richtlinie 2014/17 an die Entschädigung beschränke sich lediglich darauf, dass diese keine Vertragsstrafe gegen den Verbraucher darstellen und den finanziellen Verlust des Kreditgebers nicht überschreiten dürfe sowie „angemessen“ und „objektiv“ sein müsse. In einem nächsten Schritt untersucht der Generalanwalt sodann die sog. Aktiv-Passiv-Methode und kommt hier zu dem erfreulichen Ergebnis, dass die Aktiv-Passiv-Methode die in der Richtlinie 2014/17 geforderten Mindestvoraussetzungen an eine angemessene Entschädigung erfülle.

Schließlich stellte das LG Ravensburg noch die Frage, ob Art. 25 der Richtlinie 2014/17 auch für den Fall gelte, in dem der Verbraucher den Vertrag zunächst nach § 490 BGB kündigt, bevor er den Kredit vorzeitig an den Kreditgeber zurückzahlt. Der Generalanwalt bejaht dies. Der Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten im Rahmen der Richtlinie 2014/17 unterliege danach den Bedingungen aus Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie. Diese Bedingungen gelten sowohl, wenn die vorzeitige Rückzahlung nach Kündigung des Vertrags vorgenommen werde, als auch, wenn sie unabhängig von einer Kündigung erfolge.

Es bleibt zu hoffen, dass der EuGH sich den Wertungen des Generalanwalts Campos Sánchez-Bordona hinsichtlich der 1. und 2. Vorlagefragen anschließen wird. Hinsichtlich der 3. Vorlagefrage dürfte der Gesetzgeber gefragt sein, der die entsprechenden nationalen Vorschriften nachjustieren müsste.

 Ebru Keskin, Frankfurt am Main

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