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09.10.2023 | Bank- und Prozessrecht

Zur Rechtmäßigkeit sog. „Negativzinsen“
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 05.10.2023 – 3 U 286/22
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Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise verfolgte die Europäische Zentralbank (EZB) seit dem Jahr 2009 eine Niedrigzinspolitik. Neben dem stetig sinkenden Zinsniveau erhob die EZB seit dem 11.06.2014 einen negativen Zinssatz für die Einlagefazilität. Dies führte dazu, dass Kreditinstitute für Einlagen bei der EZB Zinsen zahlen mussten. Dieser negative Zinssatz belief sich zwischenzeitlich auf minus 0,50 % p.a.. Dies stellte Kreditinstitute vor besondere Herausforderungen, da die immer weiter ansteigenden Einlagen der Kunden aufgrund fehlender adäquater Kompensationsmöglichkeiten zwangsläufig immer höhere Kosten bei den Kreditinstituten verursachten. Eine Reihe von diesen ging daher dazu über, ihre Kunden an diesen Kosten zu beteiligen, indem sie sog. „Negativzinsen“ oder „Verwahrentgelte“ erhoben. Die rechtliche Zulässigkeit dieser sog. „Negativzinsen“ ist hoch umstritten, eine höchstrichterliche Entscheidung steht bislang aus. Das OLG Frankfurt a. M. entschied nunmehr, dass die Erhebung derartiger „Negativzinsen“ auf Spareinlagen rechtmäßig war.

In dem vom OLG Frankfurt a. M. entschiedenen Fall schloss die beklagte Bank mit Verbrauchern Verträge über die Verwahrung von Spareinlagen. Im Zeitraum Mitte des Jahres 2020 bis Mitte des Jahres 2022 vereinbarte die Beklagte mit Neukunden ab einem Freibetrag von EUR 250.000,00 die Zahlung eines „Verwahrentgelts“ sowie ab Anfang des Jahres 2021 mit vermögenden Bestandskunden ab einem bestimmten Freibetrag die Zahlung eines „Guthabenentgelts“.

Der Kläger, ein Verein, der Verbraucherinteressen wahrnimmt, wendete sich gegen diese Bestimmungen und begehrte von der Beklagten Unterlassung der Verwendung der entsprechenden Vereinbarungen. Nach Auffassung des Klägers handele es sich bei den Vereinbarungen um unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Der Kunde werde durch die Regelungen unangemessen benachteiligt. Ferner sei die Verzinsung intransparent, da sich der Verweis auf das Entgelt in einer kleingedruckten Fußnote befinde und das Entgelt positiv bezeichnet sei.

Mit dieser Argumentation hatte der Kläger in erster Instanz vor dem Landgericht noch Erfolg. Das Ausgangsgericht entschied insoweit, dass die Regelungen zum Verwahrentgelt die Kunden der Beklagten unangemessen benachteiligten und von grundlegenden gesetzlichen Regelungen abwichen. Nach der Auffassung des Landgerichts handele es sich bei den Klauseln um kontrollfähige Preisnebenabreden, die ohne eine echte Gegenleistung der Beklagten allgemeine Betriebskosten – die Einlagenzinsen bei der EZB – auf die Kunden abwälzen. Der Kunde gewähre der Beklagten durch seine Einlage ein Darlehen. Hauptleistungspflicht der Beklagten sei demnach die Zahlung von Zinsen auf das Sparguthaben. Denn unmittelbarer Zweck des Sparvertrags sei die Geldanlage gegen Zinsen, nicht aber die Aufbewahrung. Demgegenüber sei die Verwahrung des Geldes lediglich eine unselbständige Nebenleistung der Beklagten. Die Erhebung des „Verwahrentgelts“ benachteilige den Kunden auch unangemessen, da hierdurch von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen für Spareinlagen in den §§ 700, 488 BGB abgewichen werde, die von einer Überlassung von Geld an den Vertragspartner gegen Gewährung eines Nutzungsentgelts (Zinsen) ausgehe.

Dieser Auffassung erteilte das OLG Frankfurt a. M. nunmehr eine Abfuhr und wies die Klage auf die Berufung der Beklagten hin ab. Entgegen der Ansicht des Landgerichts stehe der Unwirksamkeit der Regelungen zum „Verwahrentgelt“ und zum „Guthabenentgelt“ bereits entgegen, dass es dabei um nicht kontrollfähige Preishauptabreden handele. Zudem würden diese Regelungen die Kunden nicht entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligten und seien weder intransparent noch überraschend.

Die Regelungen wichen nicht von Rechtsvorschriften ab, vielmehr handele es sich um unmittelbar die Hauptleistungspflicht und damit den Gegenstand des jeweiligen Vertrags betreffende Preishauptabreden. Bei dem Sparvertrag handele es sich entgegen der Auffassung des Landgerichts gerade nicht um einen Darlehensvertrag, sondern um einen Vertrag über eine unregelmäßige Verwahrung gem. § 700 BGB, der lediglich einseitig die Bank als Verwahrerin zur Herausgabe des verwahrten Geldbetrags verpflichte. Diese einseitige vertragliche Hauptleistungspflicht der Bank könne auch in AGB durch ein Verwahrentgelt bepreist werden. Dieses Verwahrentgelt sei als Preis der vertraglichen Hauptleistung einer Inhaltskontrolle entzogen.

Die Kunden seien durch diese Regelungen auch nicht unangemessen benachteiligt. Insbesondere bestehe keine Gefährdung des Vertragszwecks der unregelmäßigen Verwahrung, da die Regelungen die wesentlichen Rechte und Pflichten des Vertrags nicht bis zu dessen Aushöhlung einschränkten. Die Vergütungsregelung führe zwar dazu, dass die Bank dem Verbraucher faktisch nicht die gleiche Menge zurückgewähre, sondern lediglich den um das Verwahrentgelt verringerten Betrag. Allerdings sei diese Einschränkung nicht so wesentlich, dass sie zur Aushöhlung des Vertrags führe. Dies folge bereits aus dem Umstand, dass sowohl das „Verwahrentgelt“ als auch das „Guthabenentgelt“ nur für Beträge oberhalb eines Freibetrags und auch lediglich in Höhe von 0,50 % p.a. erhoben werde.

Das OLG Frankfurt a. M. befindet sich mit dieser Entscheidung auf der Linie des OLG Dresden, das mit Urteil vom 30.03.2023 – 8 U 1389/21 bereits entschieden hat, dass „Verwahrentgelte“ für Guthaben auf Girokonten zulässig sind.

In beiden Rechtsstreiten wurde die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Hinsichtlich der Entscheidung des OLG Dresden ist die Revision bereits bei dem Bundesgerichtshof (Az.: XI ZR 61/23) anhängig, so dass die Frage der Rechtmäßigkeit von „Negativzinsen“ bzw. „Verwahrentgelten“ voraussichtlich einer höchstrichterlichen Klärung zugeführt wird.

 Clemens Stark, Frankfurt am Main

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