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Newsletter Bau- und Vergaberecht 37/2021

12.10.2021 | Bau- und Vergaberecht

Anfechtung bei Ausnutzung eines Ausschreibungsfehlers

Auch im Vergaberecht besteht die Möglichkeit, eine Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Ein Anfechtungsgrund kann darin zu erblicken sein, dass der Bieter den Vertrag nicht ordnungsgemäß erfüllen will. So kann der Bieter bei Abgabe seines Angebots die Ungeeignetheit einer Teilleistung erkennen und dem Angebot eine andere Teilleistung zugrunde legen, um den Zuschlag zu erhalten. In diesem Fall ist dem Bieter das Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Umstands zur Last zu legen, was die Vergabestelle zur Anfechtung berechtigt (OLG Naumburg, Urteil vom 13.07.2020 – 12 U 147/19 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 23.06.2021 – VII ZR 142/20).

Vollmacht ergibt sich nicht aus Organigramm

Bei dem Abschluss eines Vertrages mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ist auf die zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Vertretungsregelungen abzustellen. Danach bemisst sich etwa die Vollmacht eines Mitarbeiters der juristischen Person. Ein Organigramm ist kein Nachweis einer Vollmacht und ersetzt die Vorlage einer Vollmachtsurkunde nicht. Der Leiter eines Rechtsamtes muss nicht zur Erklärung einer Kündigung bevollmächtigt sein (OLG München, Urteil vom 11.05.2021 – 9 U 4822/20 Bau).

Bei Übergabe Wartungsvertrag abschließen

Die Verjährungsfrist für Mängel an haustechnischen Anlagen kann dann auf 2 Jahre verkürzt sein, wenn der Auftragnehmer nicht mit der Wartung beauftragt wird. Unter haustechnischen Anlagen sind auch Heizungsanlagen zu rechnen. Um die Verlängerung der Gewährleistungsfrist in Gang zu setzen, muss spätestens bei der Übergabe des Objekts der Wartungsvertrag abgeschlossen sein (OLG Celle, Beschluss vom 17.07.2020 – 4 U 22/20 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 10.03.2021 – VII ZR 137/20).

Ohne Schriftform keine wirksame Pauschalvereinbarung

Der Architekt macht Mindestsatzhonorar nach § 4 Abs. 1 HOAI 1996/2002 geltend. Das Honorar richtet sich nach der schriftlichen Vereinbarung. Zulässig ist ein Honorar im Rahmen der festgesetzten Mindestsätze und Höchstsätze. Die Regelung war unkritisch. Sie hat nicht gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie verstoßen, da die Umsetzungsfrist am 28.12.2009 endete. Ohne Schriftform ist die Pauschalvereinbarung nicht wirksam geworden und der Planer kann Mindestsätze verlangen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.06.2021 – 5 U 222/20).

Vergaberecht auf ÖPP Gesellschaft anwendbar

Eine Ausschreibungspflicht für die Gründung einer ÖPP Gesellschaft besteht nur dann, wenn diese mit dem öffentlichen Auftrag ein unteilbaren Gesamtvertrag bildet (OLG Rostock, Beschluss vom 30.09.2021 – 17 Verg 3/21).

Ungewöhnlich niedriger Preis – welche Aufklärung ist erforderlich?

Die Vergabestelle muss eine gesicherte Erkenntnisgrundlage für die zu treffende Vergabeentscheidung haben, um über die Ablehnung eines Angebots zu entscheiden. Die Prüfung muss sich auf die bedeutsamen Einzelfallumstände beziehen, damit die Vergabestelle eine Aussage über die Auskömmlichkeit des Gesamtpreises treffen kann. Dabei ist die Grenze der Zumutbarkeit zu beachten. Es genügt nicht, dass die Vergabestelle vermeintlich plausiblen Angaben des Bieters folgt, wenn den Angebotspreisen erheblich höhere Zeitaufwände zugrunde liegen, als nach den Schätzungen des Bieters. Dies ist dann der Fall, wenn dessen Schätzungen deutlich unter denen der Vergabestelle liegen (VK Berlin, Beschluss vom 08.02.2021 – VK B2 – 17/20).