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Newsletter Bau- und Vergaberecht 12/2017

22.12.2017 | Bau- und Vergaberecht

Bieter muss Zweifelsfragen klären
Die Vergabestelle hat die Leistungen zulässiger Weise teilfunktional ausgeschrieben. Gibt es im Leistungsverzeichnis Unklarheiten, die einer zuverlässigen Kalkulation entgegenstehen, ist der Bieter verpflichtet, die Zweifelsfragen vor Angebotsabgabe durch Fragen zu klären. Er darf die Unklarheiten nicht einfach hinnehmen. Ergibt sich aus dem Inhalt der Ausschreibung, dass der Bieter die statischen konstruktiven Erfordernisse zu ermitteln hat, muss er auch den erforderlichen Stahl berechnen (OLG Celle, Urteil vom 15.03.2017 – 14 U 42/14).

Sowieso-Kosten müssen vorgetragen werden
Wenn der Beklagte der Auffassung ist, dass in der Forderung des Klägers Sowieso-Kosten enthalten sind, muss er darauf substantiiert hinweisen. Sowieso-Kosten werden nicht von Amts wegen berücksichtigt (OLG München, Beschluss vom 06.03.2017 – 24 U 4598/16).

Keine Sicherheit nach § 648 für Abrissunternehmer
Nach dem Gesetz kann der Unternehmer eines Bauwerks für seine Forderung eine Sicherungshypothek an dem Baugrundstück des Bestellers verlangen. Bauwerksleistungen sind solche, die unmittelbar der Errichtung, Veränderung oder Ergänzung eines Bauwerks oder Teilen desselben dienen. Dabei geht es um den Bestand des Bauwerks. Dies gilt auch für Arbeiten, die lediglich zur Vorbereitung eines Bauwerks vorgenommen werden, wie Ausschachtungsarbeiten. Abrissarbeiten gehören hierzu nicht, da sie auch keine zur Vorbereitung der Bebauung dienenden Arbeiten darstellen (OLG Köln, Beschluss vom 02.03.2017 – 19 W11/17).

Transparenzgebot gilt auch für Auslobungsverfahren
Wird ein kommunales Grundstück zur Veräußerung angeboten, finden die Vorschriften für die öffentliche Ausschreibung keine Anwendung. Es entsteht ein Schuldverhältnis zwischen Stadt und Bieter. Die Kommune ist daher gehalten, die geltenden und selbst gesetzten Verfahrensregeln einzuhalten und so die Gleichbehandlung der Teilnehmer, die Transparenz und die Rücksichtnahme zu gewährleisten (OLG Koblenz, Urteil vom 17.08.2017 – 1 U 7/17).

Wettbewerbswidrige Vereinbarung weit auszulegen
Bei einem „Geheimwettbewerb“ sind die Angebot, Angebotsgrundlagen und Angebotskalkulation anderer Bieter für die jeweils anderen Bieter unbekannt. Die Bieter können ihr eigenes Angebot somit nicht nach solchen Kenntnissen ausrichten oder Absprachen treffen. Der Begriff der wettbewerbswidrigen Vereinbarung im Sinne von § 124 Abs. 1 Nr. 4 BGB ist weit auszulegen und umfasst alle Absprachen und Verhaltensweisen eines Bieters, die mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsgebot unvereinbar sind. Eine wettbewerbswidrige Vereinbarung bedarf keiner ausdrücklichen Verständigung sondern ist schon dann gegeben, wenn ein Angebot in Kenntnis der Bedingungen des Konkurrenzangebots bzw. wesentliche Angebotsgrundlagen erstellt wird (VK Thüringen, Urteil vom 09.11.2017 – 250-4003-8222/2017-E-S-015-GTH)

von 19.12.2017 Martin Gehrlein

§ 648 a BGB als Druckmittel zulässig
Das Sicherungsverlangen des Unternehmers nach § 648 a Abs. 1 BGB muss nicht nur durch das Sicherungsverlangen motiviert sein, sondern kann auch andere Motive beinhalten. Dies stellt keine unzulässige Rechtsausübung und auch keinen Verstoß gegen Kooperationspflichten dar (BGH, Urteil vom 23.11.2017 – VII ZR 34/15).

Rückforderungsanspruch des zahlenden Bürgen bei unwirksamer Sicherungsabrede
Die Sicherungsvereinbarung zwischen den Bauvertragsparteien ist unwirksam. Dann steht dem Bürgen die dauerhafte Einrede nach § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB zu. Wenn der Bürge Zahlung geleistet hat, kann er einen Rückforderungsanspruch nach § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB geltend machen (BGH, Urteil vom 24.10.2017 – XI ZR 362/15).

Sicherungsabrede mit AGB- widrigem Inhalt gegenüber dem Bürgen ist unzulässig
In einem Bauvertrag ist eine formularmäßige Regelung enthalten, wonach der Auftragnehmer zur Ablösung eines Gewährleistungseinbehalts eine Bürgschaft mit einem Regelungsinhalt stellen muss, die dem Bürgen gegenüber unzulässig ist. Dabei handelt es sich um den formularmäßigen Ausschluss der Einrede der Aufrechenbarkeit, der auch unbestrittene und rechtskräftig festgestellte Forderungen umfassen soll. Dadurch wird der Auftragnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Regelung ist daher unwirksam (BGH, Urteil vom 24.10.2017 – XI ZR 600/16).

Planungsfehler bei keinem erhöhten Schallschutz von Eigentumswohnungen
Der Schallschutz von Wohnungen und/oder Reihenhäusern beschäftigt die Gerichte immer wieder. Bekanntermaßen stellt die DIN 4109 keine allgemein anerkannte Regel der Technik für den Schallschutz in Wohnungen dar.
Auch ohne eine ausdrückliche Vereinbarung ist im üblichen Qualitäts- und Komfortstandart eine Schalldämmung zu verbauen, die dem Beiblatt 2 der DIN 4109 „erhöhter Schallschutz nach DIN 4109“ entspricht (KG, Urteil vom 21.04.2015 – 21 U 195/12 – NZB zurückgewiesen, BGH, Beschluss vom 30.08.2017 – VII ZR 108/15).

eVergabe nur mit Adresse zulässig
Bei einer eVergabe muss bereits in der Auftragsbekanntmachung eine elektronische Adresse angegeben werden, mittels derer die Vergabeunterlagen uneingeschränkt und vollständig abgerufen werden können. Ein Verweis auf eine externe Quelle ist unzulässig (VK Bund, Beschluss vom 11.11.2017 – VK 1 – 128/17).

Kein Schadensersatz ohne „echte Chance“
Wenn die Vergabestelle gegen eine den Schutz von Unternehmern bezweckende Vorschrift verstößt, kann das betroffene Unternehmen Schadensersatz für die Kosten des Angebots und die Teilnahme am Vergabeverfahren verlangen. Voraussetzung ist allerdings, dass der Bieter ohne den Verstoß bei der Wertung eine „echte Chance“ gehabt hätte, den Zuschlag zu erhalten, die durch den Rechtsverstoß vereitelt wurde. Der Bieter hat keine „echte Chance“, wenn sein Angebot nach § 19 EG Abs. 3 b VOL/A 2009 zwingend von der Wertung auszuschließen war (LG Köln, Urteil vom 07.11.2017 – 33 O 192/16).

08.12.2017 von Martin Gehrlein

Änderung der a. a. R. d. T.: Hinweispflicht des Bauunternehmers
Bauunternehmen sind verpflichtet, die allgemein anerkannten Regeln der Technik einzuhalten. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Abnahme. Kommt es zwischen Vertragsschluss und Abnahme zu einer Änderung der allgemein anerkannten Regeln der Technik, muss der Bauunternehmer den Bauherren davon in Kenntnis setzen und aufklären. Die Pflicht entfällt, wenn der Bauherr fachkundig ist und ihm die Entwicklung bekannt ist. Der Bauherr hat in diesem Fall die Möglichkeit, den Bauunternehmer auf die Einhaltung der aktuell allgemein anerkannten Regeln der Technik zu verpflichten. Damit verbundene Mehrkosten muss der Bauherr vergüten. Ansonsten kann er anordnen, dass nach den bisherigen Regeln der Technik gebaut wird (BGH, Urteil v. 14.11.2017 – VII ZR 65/14).

Hinweispflicht auf fehlende Bewegungsfugen
Der Architekt muss bei der Planung des Estrichbelags Dehnungsfugen vorsehen. Unterlässt der Architekt dies, muss der Estrichleger darauf hinweisen. Insoweit obliegen ihm Prüfungs- und Hinweispflichten (EUGH München, Urteil v. 16.11.2016 – 27 U 2266/16 Bau-NZB zurückgewiesen BGH, Beschluss v. 27.09.2017 – VII ZR 21/17).

Kostenobergrenzen in RB Bau-Vertragsmuster wirksam
In den Musterplanungsverträgen für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes (RB Bau) ist eine Regelung zu Kostenobergrenzen enthalten. Die Regelung ist nicht als allgemeine Geschäftsbedingung zu qualifizieren, sondern als Leistungsbeschreibung. Daher kann keine Kontrolle nach den §§ 305 ff BGB erfolgen (KG, Urteil vom 07.11.2017 – 7 U 180/16).

Erstellung des Wärmeschutznachweises, beinhaltet keine Planungspflichten
Wenn ein Statistiker vertraglich verpflichtet ist, einen Wärmeschutznachweis zu erstellen, ist er für die Planung des Wärmeschutzes nicht verantwortlich (EUGH Karlsruhe, Urteil v. 18.08.2017 – 9 U 3/15).

Gesellschaftsrechtliche Verflechtungen offenbarungspflichtig
Miteinander verflochtene Unternehmen können Angebote auf dieselbe Ausschreibung getrennt voneinander abgeben. Nur bei Vorhandensein einer entsprechenden Rechtsvorschrift sind sie verpflichtet, ihre gesellschaftrechtlichen Verbindungen zueinander dem öffentlichen Auftraggeber offen zu legen. Dabei ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, Informationen bei den Bietern abzufordern, wenn er befürchten muss, dass die gleichzeitige Teilnahme die Transparenz beeinträchtigt und den Wettbewerb verfälscht (Generalanwalt beim EUGH, Schlussanträge vom 22.11.2017 – Rs. C – 531/16).

Sicherheitsleistungen nach VgV nicht begrenzt
Die Vergabestelle verfügt über die Bestimmungsfreiheit bei der Gestaltung der Ausschreibungsbedingungen. Die Gestaltungsfreiheit ist beschränkt, wenn die Bedingungen unzumutbar sind, mit der Folge, dass den Bietern eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation nicht möglich ist. Allerdings ist auf der Grundlage der VgV die Höhe einer Sicherheitsleistung nicht begrenzt (VK Bund, Beschluss v. 04.10.2017 – VK1 – 99/16).

04.12.2017 von Martin Gehrlein

Pauschalpreis bei größerem Ölabscheider verbindlich
Die Bauvertragsparteien haben für die Errichtung eines Kochkessels mit Ölabscheider eine Pauschalvergütung vereinbart. Im Zuge der Ausführung wurde der Ölabscheider größer ausgeführt, als ursprünglich geplant. Die Mehrkosten belaufen sich auf 0,8 % des Vertragspreises. In diesem Fall bleibt der Pauschalpreis bestehen (OLG Celle, Urteil vom 08.12.2016 – 6 U 50/16 – NZB zurückgewiesen, BGH, Beschluss vom 13.09.2017 – VII ZR 9/17).

WU-Richtlinie für weiße Wanne maßgebend
Eine Bauleistung muss auch in einem BGB-Bauvertrag den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Dies muss nicht gesondert vereinbart werden, sondern ist vertragsimmanent. Wenn sich ein Unternehmer verpflichtet, eine weiße Wanne zu errichten, muss er als allgemein anerkannte Regel der Technik die DAfStb-Richtlinie „wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton“ erfüllen (OLG Stuttgart, Urteil vom 15.10.2015 – 13 U 33/15 – NZB zurückgewiesen, BGH, Beschluss vom 27.09.2017 – VII ZR 273/15).

Haftung der GbR-Gesellschafter nach Umwandlung in eine Architekten-GmbH nach gesetzlichen Regelungen
Die Gesellschafter einer Architekten-GbR haften für die Geschäftsverbindlichkeiten im Außenverhältnis unbeschränkt. Nach ihrem Ausscheiden oder der Haftungsbeschränkung besteht die Haftung fort, soweit der Rechtsgrund für den Anspruch im Zeitpunkt des Ausscheidens oder der Haftungsbeschränkung bereits gelegt war. Die Verjährungsfristen nach § 160 Abs. 1 Satz 3 HGB erfassen alleine die Frage der Geltendmachung während der Ausschlussfrist, nicht das Erfordernis der Fälligkeit der Ansprüche (OLG Hamm, Urteil vom 30.06.2017 – 12 U 175/15).

Vergleich mit Budget zulässig bei ungewöhnlich niedrigem Angebot
Der öffentliche Auftraggeber muss prüfen, ob ein ungewöhnlich niedriges Angebot vorliegt. Dazu muss er eine sachliche Methode wählen, um ungewöhnlich niedrige Angebote festzustellen. Insoweit ist es zulässig, dass Angebot mit dem veranschlagten Budget der Verdingungsunterlagen zu vergleichen. Liegt das Angebot erheblich unter dem veranschlagten Budget, kann es als ungewöhnlich niedrig angesehen werden (EuGH, Urteil vom 19.10.2017 – Rs. C – 198/16).

Angebotsausschluss bei fehlender wesentlicher Preisangabe
Ein Angebot ist zwingend auszuschließen, wenn wesentliche Preisangaben fehlen. Die Frage der Wesentlichkeit ist anhand des Leistungsgegenstandes und seiner Bedeutung, seines wertmäßigen Anteils für die Gesamtleistung und des Gesamtpreises im Einzelfall zu beurteilen. Die wettbewerbliche Relevanz der fehlenden Preisangabe ist dabei nicht von Belang (OLG München, Beschluss vom 07.11.2017 – Verg 8/17).