Newsletter Bau- und Vergaberecht 31/2025

14.10.2025 | Bau- und Vergaberecht

Wechselseitige Kündigung mit der Vertragsaufhebung:

Die Parteien des Bauvertrages kündigen wechselseitig den Vertrag. Danach heben sie den Vertrag einvernehmlich auf und treffen keine Regelungen über die Rechtsfolgen. Es kommt darauf an, welche Ansprüche den Vertragsparteien im Zeitpunkt der einvernehmlichen Vertragsaufhebung zugestanden haben. Zu prüfen ist daher, ob die Vertragsbeendigung vom Bauherrn frei oder aus wichtigem Grund herbeigeführt worden ist oder ob der Auftragnehmer sich auf einen Kündigungsgrund berufen konnte. Hatten beide Vertragspartner kein Recht zur außerordentlichen Beendigung des Bauvertrages steht dem Auftragnehmer die Kündigungsvergütung zu – volle Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen (Kammergericht, Urteil vom 15.05.2025 – 27 U 117/23).

Ohne Überkompensation Anspruch auf fiktive Mangelbeseitigungskosten:

Zur Geltendmachung von Ersatzvornahmekosten müssen die Anspruchsvoraussetzungen mit Fristsetzung, Androhung der Kündigung und erklärter Kündigung vorliegen. Der Bauherr kann dann für die Ersatzvornahme einen Folgeunternehmer beauftragen, der für die Arbeiten qualifiziert ist. Der erste Anschein spricht dann für die Angemessenheit der im Zusammenhang mit der Mangelbeseitigung entstehenden Kosten. Wenn keine Überkompensation droht, kann der Bauherr fiktive Mangelbeseitigungskosten als Schadensersatz verlangen (OLG Stuttgart, Urteil vom 21.03.2023 – 10 U 53/22).

Bei der Bauhandwerkersicherheit kein Abzug für Baustrom etc.:

Der Bauherr muss dem Auftragnehmer auf dessen Anforderung hin eine Bauhandwerkersicherheit leisten. Gegenforderungen des Bauherrn finden nur dann Berücksichtigung, wenn sie unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sind. Dies gilt nicht bei Kostenumlagen für Baustrom, Bauwasser, Abfallbeseitigung und Versicherung (OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.09.2025 – 21 U 14/25).

Prüfungspflicht der Vergabestelle bei unplausiblem Angebot:

Die Vergabestelle muss grundsätzlich nicht prüfen, ob die mit dem Angebot eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen von den Bietern eingehalten werden können. Wenn sich konkrete Tatsachen des Leistungsversprechens eines Bieters als unplausibel darstellen, ergibt sich eine Überprüfungspflicht der Vergabestelle (VK Bund, Beschluss vom 28.05.2025 – VK 1 – 38/25).

Nach Rüge ist Nachprüfungsantrag zulässig:

Unmittelbar nach einer erklärten Rüge kann der Bieter einen Nachprüfungsantrag stellen. Die Vergabestelle muss hierfür keine weitere Veranlassung gegeben haben (VK Westfalen, Beschluss vom 09.04.2025 – VK 1 – 13/25).

Aktuelle Rechtsprechung zum Widerrufsrecht bei Bauverträgen:

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat mit Beschluss vom 16.11.2023 (Az. 13 U 1623) eine für die Baupraxis hochrelevante Entscheidung zum Widerrufsrecht von Verbrauchern bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Bauverträgen getroffen. Nachfolgend fassen wir die wesentlichen Inhalte und die daraus resultierenden Handlungsempfehlungen für Sie zusammen.

Wesentliche Inhalte der Entscheidung

  1. Widerrufsrecht auch bei Bauleistungen

Das OLG Stuttgart bestätigt, dass Verbrauchern bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Bauverträgen grundsätzlich ein Widerrufsrecht zusteht (§§ 312b, 312g BGB). Dies gilt auch dann, wenn das Treffen zur Vertragsunterzeichnung auf Initiative des Verbrauchers erfolgt und diesem zuvor bereits ein Angebot des Unternehmers vorlag – vorausgesetzt, der unterzeichnete Vertragstext stimmt nicht vollständig mit dem zuvor überlassenen Angebot überein.

  1. Kein Wertersatz ohne Widerrufsbelehrung

Wird der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt, steht dem Unternehmer nach Widerruf kein Anspruch auf Wertersatz für die erbrachten Leistungen zu (§ 357 Abs. 8 Satz 2 BGB a.F.). Dies gilt auch dann, wenn die Bauleistungen bereits vollständig erbracht und wesentlicher Bestandteil des Grundstücks geworden sind.

  1. Rückforderung der Vergütung durch den Verbraucher

Der Verbraucher kann sämtliche geleisteten Zahlungen zurückfordern, wenn er wirksam widerruft und keine Widerrufsbelehrung erfolgt ist. Eine Rückgabe der Bauleistungen „in Natur“ ist ausgeschlossen, wenn diese fest mit dem Grundstück verbunden und nicht ohne weiteres entfernt werden können.

  1. Treuwidrigkeit des Widerrufs nur in Ausnahmefällen

Ein Rechtsmissbrauch durch den Verbraucher ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen anzunehmen, etwa bei arglistigem Verhalten oder besonders gravierenden Umständen. Im Regelfall bleibt der Unternehmer trotz erbrachter Leistungen ohne Vergütung, wenn die Widerrufsbelehrung unterblieben ist.

  1. Europarechtlicher Hintergrund

Das OLG Stuttgart stützt sich auf die Vorgaben der EU-Verbraucherrechterichtlinie (2011/83/EU), wonach ein Wertersatzanspruch bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung ausgeschlossen ist. Eine abweichende nationale Regelung oder analoge Anwendung (z.B. § 357d BGB a.F.) ist nicht zulässig.

Handlungsempfehlungen für Bauunternehmer

  1. Sorgfältige Widerrufsbelehrung

Stellen Sie sicher, dass Sie bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen Ihre Kunden ordnungsgemäß und nachweisbar über das Widerrufsrecht belehren. Verwenden Sie die gesetzlich vorgeschriebene Widerrufsbelehrung und dokumentieren Sie die Übergabe.

  1. Vertragsgestaltung

Achten Sie darauf, dass der Vertragstext mit dem zuvor überlassenen Angebot übereinstimmt, wenn Sie auf Initiative des Kunden tätig werden. Jede Abweichung kann dazu führen, dass ein Widerrufsrecht entsteht.

  1. Risikoabschätzung

Kalkulieren Sie das Risiko eines Widerrufs durch den Verbraucher ein, insbesondere wenn die Widerrufsbelehrung unterbleibt. Im Fall eines Widerrufs besteht kein Anspruch auf Wertersatz, selbst wenn die Leistungen nicht mehr zurückgegeben werden können.

  1. Schulung der Mitarbeiter

Schulen Sie Ihre Mitarbeiter im Umgang mit Verbrauchern und der ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht. Fehler in der Belehrung können erhebliche finanzielle Folgen haben.

  1. Dokumentation

Dokumentieren Sie alle Schritte rund um den Vertragsschluss und die Belehrung. Im Streitfall ist die Beweislast für die ordnungsgemäße Belehrung entscheidend.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Stuttgart verdeutlicht die strengen Anforderungen an die Widerrufsbelehrung bei Bauverträgen mit Verbrauchern. Ein Verzicht auf die Belehrung kann für Bauunternehmer existenzbedrohende Folgen haben, da im Widerrufsfall sämtliche Zahlungen zurückzuerstatten sind und kein Wertersatz beansprucht werden kann.

Quelle:

OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.11.2023 – 13 U 1623 (LG Tübingen, Urteil vom 13.01.2023 – 3 O 9621) EuGH, Urteil vom 17.05.2023 – C-97/22, NJW 2023, 2171

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