Newsletter Bank- und Prozessrecht Q2/2025

10.06.2025 | Bank- und Prozessrecht

Mehr Verantwortung, mehr Risiko: Fraud-Haftung von Banken unter der PSR

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Mit der geplanten Payment Services Regulation (PSR) reagiert der europäische Gesetzgeber auf die Zunahme von Betrugsfällen im Zahlungsverkehr. Ziel ist es, durch einheitliche und unmittelbar geltende Vorschriften ein höheres Schutzniveau für Zahlungsdienstnutzer zu schaffen, insbesondere im Hinblick auf neue Betrugsformen wie das sogenannte Spoofing sowie Social-Engineering-Angriffe.

Ein zentrales Anliegen der PSR ist die Verbesserung der Betrugsprävention. Zahlungsdienstleister sollen dazu verpflichtet werden, ihre Systeme zur Transaktionsüberwachung zu verstärken, betrugsrelevante Informationen untereinander DSGVO-konform auszutauschen und sowohl Mitarbeitende als auch Kunden besser zu sensibilisieren. Besondere Bedeutung kommt dabei dem – nach Abschaffung in 2009 wieder eingeführten – Abgleich von Kontoinhabername und IBAN zu, der künftig bei sämtlichen Euro-Überweisungen verpflichtend erfolgen soll.

Vor allem aber sieht die PSR künftig Haftungsansprüche bei bestimmten Betrugsfällen vor, die zu einer erheblichen Risiko- und Pflichtenzunahme auf Seiten der Banken führen dürften. So begründet Art. 59 Abs. 1 PSR-E etwa eine verschuldensunabhängige Haftung des erstbeauftragten Zahlungsdienstleisters, wenn der Betrug auf einem Spoofing-Angriff beruht, der unverzüglich polizeilich angezeigt wurde. Ebenso haftet das Institut, wenn es seiner Pflicht zur Namensprüfung bei der Überweisung nicht ordnungsgemäß nachkommt (Art. 57 PSR-E). Diese Regelungen durchbrechen somit das bisherige Haftungssystem im Zahlungsverkehr, das grundsätzlich zwischen Deckungs- und Valutaverhältnis trennt.

Eine besondere Herausforderung für Banken besteht darin, künftig im Einzelfall zu prüfen, ob ein Betrugsfall unter Art. 59 PSR-E fällt. Ist dies nicht der Fall, könnte dennoch eine zivilrechtliche Warnpflicht gegenüber dem Kunden gemäß §§ 241 Absatz 2 und 280 Absatz 1 BGB bestehen. Unterbleibt eine solche Warnung, droht möglicherweise eine Haftung auf Schadensersatz, selbst wenn keine gesetzlich vorgesehene verschuldensunabhängige Haftung eingreift. Damit wird faktisch eine weitreichende Fraud-Kontrollpflicht eingeführt, bei der Banken potenziell auch für Fälle haften könnten, die außerhalb des klar geregelten Anwendungsbereichs der PSR liegen.

Auch die geplante Beweislastverteilung nach Art. 59 Abs. 3 PSR-E stellt Banken vor erhebliche Herausforderungen. Im Fall einer grob fahrlässigen Mitverursachung durch den Zahler liegt es an den Banken, dies nachzuweisen. Gleichzeitig müssen sie Rückerstattungsanträge bei unautorisierten Zahlungen binnen zehn Tagen bearbeiten (Art. 56 Abs. 2 PSR-E), was insbesondere bei komplexen Betrugskonstellationen kaum realistisch erscheint.

Die PSR überträgt somit die Verantwortung für Betrugsprävention und Aufklärung in erheblichem Umfang auf die Banken. Damit verbunden wäre eine spürbare Ausweitung der Haftungsrisiken, die angesichts der zunehmenden Komplexität von Betrugsfällen und der engen Fristen kaum verlässlich eingeschätzt werden können. Die geplante Neuregelung betrifft sowohl haftungsrechtliche als auch technische Anforderungen. Kreditinstitute müssen ihre Sicherheitsvorkehrungen kontinuierlich weiterentwickeln und gleichzeitig in der Lage sein, verdächtige Zahlungsvorgänge kurzfristig rechtlich zu bewerten und nachvollziehbar zu dokumentieren. Die vorgesehene Frist von zehn Tagen zur Bearbeitung von Rückerstattungsanträgen sowie die geplante Beweislastverteilung erhöhen diese Anforderungen zusätzlich. Zugleich besteht die Gefahr, dass Kunden durch die verschuldensunabhängige Erstattung eine „Vollkasko-Mentalität“ entwickeln, was das Betrugsrisiko weiter steigern könnte. Insgesamt wird die PSR das Haftungsgefüge im Zahlungsverkehr maßgeblich verändern und Banken vor erhebliche Herausforderungen stellen.

Ebru Keskin, Frankfurt am Main

ebru.keskin@goehmann.de

 

Instant Payment Verordnung stellt Banken vor große Herausforderungen

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Die Instant Payment Verordnung (EU 2024/886) sieht vor, dass Echtzeitüberweisungen („Instant Payments“) innerhalb von maximal 10 Sekunden ausgeführt werden müssen und somit der überwiesene Betrag nahezu in Echtzeit dem Empfänger gutgeschrieben wird. Ferner sollen die Zahlungsdienstleister gewährleisten, dass Zahlungsdienstnutzer einen Höchstbetrag für Echtzeitüberweisungen festlegen und diesen auch jederzeit vor der Erteilung eines Zahlungsauftrags für Echtzeitüberweisungen ändern können, und zwar mit sofortiger Wirkung (vgl. Erwägungsgrund 19 der Verordnung). Hierdurch wird dem Zahlungsdienstnutzer zwar einerseits größtmögliche Flexibilität bei der Vornahme von Echtzeitüberweisungen eingeräumt, da er innerhalb von sehr kurzer Zeit sein Überweisungslimit hochsetzen und sodann unmittelbar die Überweisung eines hohen Betrages vornehmen kann. Andererseits geht diese höhere Flexibilität auf Kosten der Sicherheit.

Denn Sinn und Zweck eines Überweisungslimits besteht gerade darin, für eine höhere Sicherheit zugunsten des Zahlungsdienstnutzers zu sorgen, damit dieser vor missbräuchlichen Verfügungen von Kriminellen geschützt wird, welche sich Zugang zu seinem Online-Banking verschafft haben. Durch das Überweisungslimit ist gewährleistet, dass missbräuchliche Verfügungen lediglich bis zur Höhe des festgelegten Überweisungslimits möglich sind. Dieser Sicherheitsmechanismus könnte jedoch umgangen werden, wenn bei Echtzeitüberweisungen die Möglichkeit besteht, das Überweisungslimit innerhalb weniger Sekunden zu erhöhen und im unmittelbaren Anschluss die Echtzeitüberweisung durchzuführen. Dies könnten sich auch Kriminelle zu Nutze machen und hätten somit die Möglichkeit, sehr hohe Beträge vom Konto des Bankkunden innerhalb kürzester Zeit zu transferieren. Bisher sieht das Verfahren bzgl. der Erhöhung des Überweisungslimits bei vielen Banken vor, dass die vom Bankkunden beantragte Erhöhung des Überweisungslimits erst am Folgetag in Kraft tritt, was ein solches „Abverfügen“ vom Konto des Bankkunden durch Kriminelle deutlich erschwert. Diese Verfahrensweise dürfte jedoch aufgrund der vorgenannten Regelungen der Instant Payment Verordnung bzgl. Echtzeitüberweisungen in Zukunft nicht mehr aufrecht zu erhalten sein.

Die dargestellte Problematik bzgl. der Erhöhung des Überweisungslimits verdeutlicht, dass Banken bei der Umsetzung der Instant Payment Verordnung vor einer schwierigen Gratwanderung stehen: Einerseits sollen sie in der Lage sein, die Durchführung von Echtzeitüberweisungen und gegebenenfalls auch die Erhöhung des Überweisungslimits innerhalb von wenigen Sekunden zu ermöglichen. Andererseits sollen sie im Rahmen der Echtzeitüberweisungen auch ein Höchstmaß an Sicherheit für ihre Bankkunden gewährleisten. Gerade diese Sicherheitsaspekte sind auch nach den Erwägungen des EU-Gesetzgebers (vgl. Erwägungsgrund 20 der Verordnung) eine wichtige Voraussetzung dafür, das Vertrauen der Zahlungsdienstnutzer in Echtzeitüberweisungen zu stärken und deren breite Akzeptanz und Nutzung zu etablieren.

Florian Stritzke, Frankfurt am Main

florian.stritzke@goehmann.de

 

Rechtliche Herausforderungen beim elektronischen Vertragsschluss mittels digitaler Signatur

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Die zunehmende Digitalisierung wirtschaftlicher Prozesse führt dazu, dass auch Rechtsgeschäfte immer häufiger digital abgewickelt werden. Der Wunsch der Unternehmen nach Effizienz und schneller Bearbeitung ist groß. Die Verträge werden daher oft mittels digitaler Endgeräte wie Tablet-PCs geschlossen, wobei die Unterschrift nicht mehr mit Kugelschreiber auf Papier, sondern mit einem Eingabestift auf dem Display geleistet wird. Was unter Effizienzgesichtspunkten besticht, wirft aus rechtlicher Sicht zahlreiche Fragen auf. Denn nicht jede digitale Signatur wahrt die gesetzlichen Vorgaben und längst nicht jedes elektronisch unterzeichnete Dokument entfaltet vor Gericht die gewünschte Beweiskraft. Dies gilt insbesondere in Konstellationen, in denen eine einmal geleistete digitale Signatur automatisiert vervielfältigt und an mehreren Stellen desselben Vertragsdokuments eingefügt wird.

Ein zentrales Problem bei der digitalen Vertragsunterzeichnung ist die Frage, ob die Formvorschriften erfüllt werden. Das Gesetz unterscheidet klar zwischen einfacher Textform (§ 126b BGB) und der strengeren Schriftform (§ 126 BGB). Gemäß § 126 Abs. 1 BGB ist die Schriftform nur gewahrt, wenn die „Urkunde eigenhändig durch Namensunterschrift“ unterzeichnet wird. Dabei setzt die sog. Urkundeneigenschaft voraus, dass es sich um ein körperliches Dokument handelt, das die Willenserklärung dauerhaft verkörpert. Eine PDF-Datei oder eine anderweitige digitale Datei genügt dieser Anforderung grundsätzlich nicht, weil sie nicht in der gleichen Weise greifbar und dauerhaft ist. Erforderlich wäre in solchen Fällen eine qualifizierte elektronische Signatur (QES) nach § 126a BGB i.V.m. Art. 3 Nr. 12 eIDAS-Verordnung (EU Nr. 910/2014). Eine QES ist mit erheblichen technischen und organisatorischen Anforderungen verbunden. Sie basiert auf einem qualifizierten Zertifikat, das einer bestimmten Person zugeordnet ist und mit einer sicheren Signaturerstellungseinheit erzeugt werden muss. Aufgrund der komplexen technischen Voraussetzungen der QES sind diese bislang die Ausnahme, als die Regel, im unternehmerischen Alltag.

Unternehmen bedienen sich vielmehr, insbesondere im B2C-Bereich, regelmäßig der Möglichkeit der einfachen digitalen Signatur für nicht schriftformbedürftige Verträge. In diesen Fällen kommt es vor, dass eine einmal erstellte Unterschriftsgrafik automatisiert an mehreren Stellen eines mehrseitigen Vertrages eingefügt wird – sei es zur Signierung einzelner Anlagen oder zur Bestätigung des Erhalts von Pflichtinformationen.

Aus rechtlicher Sicht ist dieses Vorgehen heikel, da die Unterschrift im Sinne des § 126 BGB eine Willensbekundung mit eigenhändigem Bezug zur jeweiligen Erklärung darstellen muss. Durch das mehrfache Einfügen derselben digitalisierten Unterschriftsgrafik wird dieser Bezug relativiert – mithin fehlt es an dem persönlichen Bekennungsakt. Der Unterzeichner bestätigt nicht mehr bewusst jede einzelne Passage, sondern lediglich eine Vorlage, die an anderer Stelle ohne weiteres Zutun reproduziert wird. Das verletzt den Grundsatz der Eigenhändigkeit.

Auch aus beweisrechtlicher Sicht ist diese Vorgehensweise kritisch. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Unterschrift im Sinne des § 126 BGB im Rahmen der Klarstellungs- und Beweisfunktion den Zweck hat, die Identität des Ausstellers erkennbar zu machen, die Echtheit der Urkunde zu gewährleisten und dem Empfänger die Prüfung zu ermöglichen, wer die Erklärung abgegeben hat. Sollte es zu prozessualen Streitigkeiten über den Inhalt oder die Abänderung einzelner Vertragsteile kommen, fehlt der eindeutige Nachweis, dass der Unterzeichner tatsächlich jede dieser Passagen selbst autorisiert hat. Dies kann im schlechtesten Fall zur (Teil-)Unwirksamkeit des Vertrages führen.

Die rechtliche Bedenklichkeit einer automatisierten Vervielfältigung digitaler Signaturen wird auch aus der Perspektive der zivilgerichtlichen Rechtsprechung evident. So betont der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 10. Januar 2019 (Az. III ZR 109/17) die Notwendigkeit einer klaren inhaltlichen und gestalterischen Abgrenzung zwischen Empfangsbestätigungen und sonstigen rechtsgeschäftlichen Erklärungen. Empfangsbestätigungen haben – ihrer rechtlichen Funktion nach – allein den Erhalt eines Dokuments zu bestätigen und müssen daher sowohl räumlich als auch drucktechnisch eindeutig vom übrigen Vertragstext abgesetzt sein. Eine automatisiert generierte Unterschrift, die zugleich unter die Empfangsbestätigung und weitere Vertragspassagen gesetzt wird, ohne dass der Erklärende jede einzelne Passage gesondert und bewusst autorisiert hat, widerspricht diesem vom BGH geforderten rechtlichen Differenzierungsgebot. Der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung betonte persönliche Erklärungsakt würde auf diese Weise entwertet, da die erforderliche individuelle Zurechenbarkeit und der bewusste Willensakt des Unterzeichners nicht mehr mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen werden können. Dieser Rechtsgedanke gilt in der Konsequenz nicht nur für die digitale Signierung einer Empfangsbestätigung, sondern ebenso für den umgekehrten Fall, dass eine ursprünglich hierfür geleistete Signatur ohne weiteres auf andere Vertragsteile übertragen wird.

Fazit

Eine verallgemeinerungsfähige „Patentlösung“ für sämtliche Vertragstypen existiert nicht. Ob ein elektronisch unterzeichneter Vertrag wirksam ist, hängt stets vom konkreten Einzelfall ab – von möglichen Formerfordernissen, von der eingesetzten Signaturtechnik, von der Dokumentation des Zugangs und nicht zuletzt von der technischen Integrität der Unterlagen. Wer digitale Signaturen verwendet, sollte daher die formalen und beweisrechtlichen Anforderungen sorgfältig prüfen, automatisierte Vervielfältigungen der Unterschrift vermeiden und bei Unsicherheiten auf qualifizierte Signaturlösungen oder ergänzende Beweissicherungsmaßnahmen zurückgreifen. Nur unter Beachtung dieser Aspekte lassen sich die Effizienzvorteile digitaler Prozesse realisieren, ohne die Rechtssicherheit des Vertragsschlusses zu kompromittieren.

Pascal Schäfer, Frankfurt am Main

pascal.schaefer@goehmann.de

 

Steuerliche Aspekte der Rückabwicklung von Darlehensverträgen

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Die Rückabwicklung von Darlehensverträgen nach Widerruf stellt Banken vor steuerliche Herausforderungen. Bei der Rückabwicklung eines Darlehensvertrags sind Banken verpflichtet, den Darlehensnehmern einen Nutzungsersatz für die von ihnen geleisteten Zahlungen zu gewähren. Dieser Nutzungsersatz wird steuerlich als Kapitalertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG behandelt. Auch wenn der Bundesfinanzhof entschieden hat, dass der Bezug eines Nutzungsersatzes im Rahmen der Rückabwicklung keinen steuerbaren Kapitalertrag darstellt, da er darauf gerichtet ist, den ursprünglichen Leistungsaustausch rückgängig zu machen, bleibt er dennoch einkommensteuerpflichtig (BFH – Urteil vom 07.11.2023 zu Az.: VIII R 7/21). Dies gilt auch für den Nutzungsersatz auf rückerstattete Kreditbearbeitungsgebühren. Für die steuerliche Erfassung des Nutzungsersatzes ist das Jahr des Zuflusses entscheidend. Das bedeutet, dass der Zeitpunkt, zu dem der Darlehensnehmer die wirtschaftliche Verfügungsgewalt über die Erstattungsbeträge erlangt, maßgeblich für die Besteuerung ist.

Im Rahmen der Rückabwicklung können auch Prozess- und Verzugszinsen anfallen. Diese Zinsen sind als Entschädigung für die Vorenthaltung des Kapitals zu verstehen und unterliegen ebenfalls der Besteuerung als Kapitalertrag. Es ist wichtig, dass Banken ihre Kunden darauf hinweisen, dass diese Zinsen verschuldensunabhängig gewährt werden und daher steuerpflichtig sind. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Zinsen, die als Wertersatz für die Nutzung des Kapitals gezahlt werden, nicht als Werbungskosten abgezogen werden können (§ 20 Abs. 9 Satz 1 EStG). Dies bedeutet, dass über den Werbungskosten-Pauschbetrag hinaus keine höheren tatsächlich gezahlten Werbungskosten geltend gemacht werden können.

Banken sollten ihre Kunden umfassend über die steuerlichen Implikationen der Rückabwicklung von Darlehensverträgen informieren. Eine klare Kommunikation kann helfen, Missverständnisse zu vermeiden und sicherzustellen, dass alle steuerlichen Verpflichtungen erfüllt werden.

André Berger, Frankfurt am Main

andre.berger@goehmann.de

 

BGH stärkt Verbraucherrechte bei unzulässigen Kontoführungsentgelten

Urteil vom 3. Juni 2025 (XI ZR 45/24) (Urteil in der Langfassung noch nicht veröffentlicht)

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Der Bundesgerichtshof hat im Rahmen einer Musterfeststellungsklage eines Verbraucherschutzverbands entschieden, unter welchen Voraussetzungen Verbraucher die Rückzahlung von Kontoführungsgebühren verlangen können, die auf der Basis unwirksamer Zustimmungsfiktionsklauseln erhoben wurden. In seinem Urteil vom 3. Juni 2025 hat der BGH in einem weiteren Schritt die Rechte von Bankkunden gegenüber Kreditinstituten gestärkt. Im Zentrum des Musterverfahrens stand die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Sparkassen und Banken in der Vergangenheit zu Unrecht erhobene Kontoführungsentgelte zurückzahlen müssen – insbesondere dann, wenn sie sich dabei auf sogenannte Zustimmungsfiktionsklauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen gestützt hatten.

Der BGH hat zunächst festgestellt, dass die vom beklagten Kreditinstitut verwendete AGB-Klausel, wonach Entgeltänderungen ohne ausdrückliche Zustimmung durch Schweigen wirksam wurden (sog. Zustimmungsfiktion), unwirksam ist. Diese Rechtsfrage war jedoch bereits in einem früheren Urteil des BGH vom 27. April 2021 (Az. XI ZR 26/20) geklärt worden, weshalb das entsprechende Feststellungsziel als unzulässig abgewiesen wurde.

Der BGH stellte jedoch unmissverständlich klar: Entgelte, die Banken und Sparkassen auf Grundlage der unwirksamen Zustimmungsfiktionsklausel erhoben haben, sind ohne Rechtsgrund erfolgt und können von Verbrauchern zurückgefordert werden. Es kommt dabei nicht darauf an, ob diese Entgelte über einen längeren Zeitraum hinweg gezahlt wurden, ohne dass Kunden aktiv widersprochen haben. Selbst bei jahrelangem Schweigen der Verbraucher besteht also ein Rückzahlungsanspruch nach den Regeln des Bereicherungsrechts (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die sogenannte „Dreijahreslösung“, die im Energierecht entwickelt wurde und besagt, dass Verbraucher regelmäßig gezahlte Entgelte nach drei Jahren nicht mehr zurückfordern können, findet hier ausdrücklich keine Anwendung. Der BGH macht deutlich: Wer auf Grundlage einer unwirksamen Klausel Einnahmen generiert, kann sich nicht auf das bloße Zeitvergehen berufen.

Ein weiteres wichtiges Detail betrifft das sogenannte Saldoanerkenntnis. Banken hatten argumentiert, dass Kunden mit der vorbehaltlosen Hinnahme ihrer Kontoauszüge – also dem sogenannten Rechnungsabschluss – die dort enthaltenen Entgelte anerkannt hätten. Auch das hat der BGH klar zurückgewiesen: Ein Saldoanerkenntnis, das auf unrechtmäßigen Entgelten basiert, ist ebenfalls ohne Rechtsgrund. Das bedeutet: Die bloße Tatsache, dass Verbraucher ihre Kontoauszüge nicht beanstandet haben, schließt die Rückforderung nicht aus. Auch hierin liegt kein wirksamer Verzicht auf Rückzahlungsansprüche.

Wesentliche Bedeutung hat das Urteil zudem für den Beginn der Verjährung. Der BGH hat klargestellt, dass Rückforderungsansprüche von Verbrauchern wegen unrechtmäßiger Kontoführungsentgelte der regulären Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegen. Diese beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der jeweilige Kontoabschluss vom Kunden genehmigt wurde – in der Regel sechs Wochen nach Zugang. Maßgeblich ist dabei die Kenntnis der Entgeltbelastung, nicht die rechtliche Bewertung der Klausel. Die spätere Erkenntnis, dass die Zustimmungsfiktionsklausel unwirksam ist, hat auf den Beginn der Verjährung keinen Einfluss.

Aber nicht alle Anliegen der Verbraucherschützer hatten Erfolg. So wurde der Antrag, grundsätzlich festzustellen, dass die Nutzung eines Girokontos nicht als Zustimmung zu neuen Entgeltbedingungen gewertet werden darf, vom BGH als unzulässig zurückgewiesen. Der Grund: Ob ein bestimmtes Verhalten – wie etwa die weitere Nutzung eines Kontos – tatsächlich als „konkludente Zustimmung“ zu geänderten Bedingungen zu werten ist, hängt vom Einzelfall ab. Hiernach kommt es darauf an, wie das Verhalten des Verbrauchers objektiv aus der Sicht des Erklärungsempfängers zu verstehen ist. Eine verallgemeinernde Feststellung im Rahmen eines Musterverfahrens sei deshalb nicht zulässig, so der BGH.

Als Fazit lässt sich zusammenfassen, dass Rückforderungsansprüche in vielen Fällen mit Verweis auf Verjährung abgewehrt werden können. Es empfiehlt sich, potenzielle Altansprüche systematisch zu prüfen und Verjährungsgesichtspunkte aktiv in die Verteidigungsstrategie einzubeziehen. Zugleich sollte bei zukünftigen Entgeltänderungen auf rechtssichere Zustimmungslösungen geachtet werden, auch wenn sich das bei mangelndem Mitwirken des Vertragspartners schwierig gestaltet.

Jennifer Stuppy, Frankfurt am Main

jennifer.stuppy@goehmann.de

 

Europarechtliche Anforderungen an die Angabe der Vertragslaufzeit sowie des effektiven Jahreszinses in einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag

Urteil des EuGH vom 23.01.2025 – C-677/23

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Mit seinem Urteil vom 23.01.2025 (C-677/23) hat der EuGH klargestellt, welchen inhaltlichen Anforderungen die Angaben zur Vertragslaufzeit sowie des effektiven Jahreszinses in einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag genügen müssen.

Dieser Entscheidung zugrunde liegt ein slowakischer Verbraucherdarlehensvertrag über einen Gesamtbetrag von EUR 5.858,98 mit einem effektiven Jahreszins von 17,93 %. Zur Laufzeit enthielt der Vertrag (lediglich) die Angabe, der Vertrag werde auf unbestimmte Zeit geschlossen, bis alle durch die Gewährung des Kredits entstandenen Verhältnisse vollständig geregelt seien; allerdings wurden Anzahl, Höhe und Tag der Fälligkeit der einzelnen Raten angegeben. Zu den Annahmen, die der Berechnung des effektiven Jahreszinses zugrunde lagen, hieß es im Vertrag, der Kredit werde unverzüglich und in voller Höhe gewährt, der Kreditnehmer werde seinen Verpflichtungen vertragsgemäß nachkommen und die Verzinsung gelte bis zum Ende des Kreditverhältnisses.

In rechtlicher Hinsicht war die Vorschrift des Art. 10 der RL 2008/48 (Verbraucherkreditrichtlinie) von Bedeutung, wonach in einem Kreditvertrag klar und prägnant die Laufzeit des Kreditvertrags (Abs. 2 lit c) sowie der effektive Jahreszins einschließlich aller in dessen Berechnung einfließenden Annahme anzugeben sind (Abs. 2 lit. g). Diese Erfordernisse sind nahezu wortgleich sowohl in das slowakische wie auch das deutsche Recht (s. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 und 6 EGBGB) umgesetzt worden.

Zunächst hat der EuGH auf seine Rechtsprechung zur Angabe der Teilzahlungen (EuGH, Urteil vom 09.11.2016 – C-42/15) Bezug genommen, wonach nicht jeder Fälligkeitstag der Kreditraten durch ein exaktes Datum anzugeben ist, sondern dieses lediglich anhand der Vertragsbedingungen bestimmbar sein muss. Sodann hat der EuGH erkannt, dass die Laufzeit des Kreditvertrags und die vollständige Erfüllung der gegenseitigen Pflichten, insbesondere der Auszahlung des Kredits und dessen vollständige Rückzahlung, in einem engen Zusammenhang zueinander stehen. Daraus hat der EuGH dann den Schluss gezogen, dass auch die Laufzeit des Kreditvertrags nicht zwingend ausdrücklich anzugeben ist, sofern diese ohne weiteres aus den Vertragsbedingungen bestimmbar ist.

In Bezug auf die Angabe des effektiven Jahreszinses weist der EuGH zunächst auf die rechtlichen Grundlagen hin, nach denen bei dessen Berechnung von bestimmten Annahmen ausgegangen wird (vgl. Art. 19 Abs. 3 der RL 2008/48) bzw. erforderlichenfalls ausgegangen werden kann (Art. 19 Abs. 5 der RL 2008/48), wobei vorgesehen ist, dass die Kommission zusätzliche Annahmen festlegen oder bestehende ändern kann. Sodann betont der EuGH ebenfalls mit Verweis auf die vorgenannte Rechtsprechung, dass die Angabe des effektiven Jahreszinses von wesentlicher Bedeutung ist, und spricht auch den Annahmen, die seiner Berechnung zugrunde liegen, eine wesentliche Bedeutung zu. Die Angabe dieser Annahmen soll sicherstellen, dass der Verbraucher seine Rechte und Pflichten zur Kenntnis nehmen kann. Da die Annahmen komplex sein können, reiche die bloße Möglichkeit, die Berechnungsannahmen anhand verschiedener Vertragsklauseln zu bestimmen, nicht aus.

Diese Rechtsprechung wirft die Frage auf, ob die verschiedenen Vertragsangaben und seine Bedeutung für den Verbraucher korrekt bewertet werden. Für einen Verbraucher, der einen Kredit aufnimmt, dürfte von überragender, wenn nicht gar alleiniger Bedeutung sein, wann er über den Kreditbetrag verfügen kann und mit wie vielen, wann zu leistenden Einzelzahlungen in welcher Höhe er den Kredit zurückzuzahlen hat. Diesbezüglich reicht es nach dem EuGH aus, dass die einzelnen Rückzahlungszeitpunkte und damit auch der Zeitraum seiner Rückzahlungsverpflichtungen aus den Vertragsbedingungen lediglich bestimmbar sind. Der effektive Jahreszins, der für die konkreten Zahlungsverpflichtungen des Kreditnehmers überhaupt keine Rolle spielt und zudem schon konzeptionell nur eine Kenngröße für den Vergleich verschiedener Kreditangebote darstellt (vgl. Erwägungsgrund 19 der RL 2008/48), dürfte für einen Kreditnehmer indes bei der Einschätzung seiner Zahlungsverpflichtungen wenig bis gar nicht bedeutsam sein. Hier sind dem Kreditnehmer nach Ansicht des EuGH indes die Grundlagen einer für ihn kaum nachzuvollziehenden Berechnung (vgl. die Formel für die Berechnung des effektiven Jahreszinses in Anhang I zur RL 2008/48 oder in der Anlage zu § 16 PAngV), bei denen es sich auch noch lediglich um Annahmen handelt, ausdrücklich mitzuteilen. Diese Gewichtung erscheint wenig sachgerecht und fern der Lebenswirklichkeit.

Michael Dreyer, Frankfurt am Main

michael.dreyer@goehmann.de

 

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz: jetzt aber schnell

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Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) tritt am 28.06.2025 in Kraft und dient der Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/882. Lediglich unter bestimmten Voraussetzungen wird eine Übergangsfrist bis zum 27.06.2030 gewährt (vgl. § 38 Abs. 1 BFSG).

Zweck dieses Gesetzes ist es, im Interesse der Verbraucher und Nutzer die Barrierefreiheit von bestimmten Produkten und Dienstleistungen zu gewährleisten und so das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu stärken, § 1 Abs. 1 BFSG.

Was die meisten nicht bedenken: Das Gesetz richtet sich nicht nur an öffentliche Stellen oder bestimmte Geschäftsbereiche. Vielmehr fallen auch Hersteller und Händler bestimmter Produkte wie auch Anbieter bestimmter Dienstleistungen in den Anwendungsbereich des Gesetzes. Die einschlägigen Produkte und Dienstleistungen sind in § 1 Abs. 2 und Abs. 3 BFSG abschließend aufgeführt.

Voraussetzung zur Anwendung des Gesetzes ist neben den einschlägigen Dienstleistungen auch, dass es sich um kein Kleinstunternehmen i. S. d. § 2 Nr. 17 BFSG handelt, also ein Geschäft mit mehr als 10 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mehr als 2 Millionen Euro ist, § 3 Abs. 3 S.1 BFSG. Kleinstunternehmen, welche die in § 1 Abs. 2 BFSG genannten Produkte herstellen, sind hingegen zur Gewährleistung der Barrierefreiheit verpflichtet.

Von besonderer Bedeutung dürfte § 1 Abs. 3 Nr. 5 BFSG sein, der sich auf den sog. E-Commerce bezieht. Nach dieser Regelung fallen „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ in den Anwendungsbereich des Gesetzes. Gemäß § 2 Nr. 26 BFSG handelt es sich hierbei um „digitale Dienste nach § 1 Absatz 4 Nummer 1 des Digitale-Dienste-Gesetzes, die über Webseiten und über Anwendungen auf Mobilgeräten angeboten werden und elektronisch und auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden“.

Bei dieser Regelung gilt zu beachten, dass hierunter auch solche Web-Shops und/oder entsprechende Apps zu subsumieren sind, bei denen keine in den Abs. 2 und 3 genannten Produkte/ Dienstleistungen angeboten werden. Die Regelung geht somit viel weiter: In den durch die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales veröffentlichten Leitlinien wird sogar vertreten, dass bspw. auch die Webseite eines Friseurgeschäfts den Anforderungen des BFSG unterliegt, wenn sie ein Buchungsportal für Friseurdienstleistungen und somit auch „eine Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr“ enthält.

Wann aber nun sind Dienstleistungen oder Produkte barrierefrei? Hierzu enthält das Gesetz eine Legaldefinition. Gem. § 3 Abs. 1 S. 2 BFSG ist dies der Fall, „wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.“ Die konkreten Anforderungen richten sich wiederum nach der Rechtsverordnung zum BFSG (Verordnung über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz vom 15. Juni 2022).

Auch, wenn die Umsetzung des Gesetzes möglicherweise viel (technischen und/ oder finanziellen) Aufwand erfordert, sollten die gesetzlichen Anforderungen dringend eingehalten bzw. fristgerecht umgesetzt werden, sofern sich nicht auf einen der beiden Ausnahmetatbestände berufen werden kann (§§ 16, 17 BFSG). Wie üblich hat die Nichteinhaltung der Regelung auch Konsequenzen: Neben Anordnungen der Einstellung der Dienstleistungen oder Einschränkungen der Bereitstellung der Produkte durch die Marktüberwachungsbehörde (vgl. §§ 29 ff. BFSG) können bei ordnungswidrigem Verhalten gem. § 37 BFSG Bußgelder von bis zu 100.000 Euro verhängt werden.

Selbstverständlich können auch Produkte/Dienstleistungen, die derzeit nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, barrierefrei angeboten werden – so dürfte es ohnehin nur eine Frage der Zeit sein, bis der Anwendungsbereich des Gesetzes ausgeweitet wird. Möglicherweise könnte dieses zukunftsorientierte Verhalten derzeit auch einen Wettbewerbsvorteil darstellen und dementsprechend auch einen größeren Absatzmarkt begründen. Insoweit könnte die Barrierefreiheit eine „Win-Win-Situation“ darstellen.

Jasmin Englert, Frankfurt am Main

jasmin.englert@goehmann.de

 

Nachschlag: BFSG für Banken und Finanzdienstleister

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Wie könnte es im Bank- und Prozessrechtsnewsetter anders sein: Dem BFSG unterfällt auch die Bereitstellung von Bankdienstleistungen für Verbraucher durch Banken und eine Vielzahl weiterer Anbieter von Finanzdienstleistungen.

Als Bankdienstleistung gilt bspw. der online Abschluss von Kreditverträgen. Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten umfassen die Annahme und Übermittlung von Aufträgen im Bereich der Finanzinstrumente, das Ausführung von Aufträgen im Namen von Kunden, die Portfolio-Verwaltung sowie die Anlageberatung. Nebendienstleistungen sind die Verwahrung und Verwaltung von Finanzinstrumenten für Rechnung von Kunden (einschließlich Depot- oder Sicherheitenverwaltung), die Gewährung von Krediten zu diesen Zwecken, das Devisengeschäfte im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und die Wertpapier- und Finanzanalyse. Das BFSG bezieht ferner Zahlungskontodienste und E-Geld als Bankdienstleistungen mit ein.

Die Anforderungen an die Barrierefreiheit im BFSG betreffen neben bestimmten Produkten wie Geldautomaten viele Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr. Nach der immer wieder herausfordernden Identifikation der betroffenen Angebote, sind Webseiten, Online-Banking-Portale, mobile Apps, digitale Kontoeröffnungsprozesse, Geldautomaten und die gesamte Kundenkommunikation barrierefrei zu gestalten. Als Dienstleistungserbringer im Sinne des BFSG müssen Banken zudem sicherstellen, dass ihre Dienstleistungen nur dann angeboten oder erbracht werden, wenn die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt sind.

Dr. Ilka Heigl, Frankfurt am Main

ilka.heigl@goehmann.de

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