Newsletter Bank- und Prozessrecht

07.11.2025 | Bank- und Prozessrecht

Die Themen:
• Zwischen Anlegerschutz und Marktverzerrung – Die BaFin greift beim Vertrieb von Turbo-Zertifikaten durch
• EuGH zur Verzugszinssatzangabe, zum Rechtsmissbrauch sowie zu den Widerrufsfolgen
• Zulässigkeit von Zustimmungsfiktion in Bauspar-AGB – OLG Frankfurt bestätigt differenzierte Vertragsänderungsklausel
• BGH zur groben Fahrlässigkeit bei einer durch Betrug veranlassten Überweisung aufgrund des Anrufs einer angeblichen Bankmitarbeiterin
• BGH: Örtliche Zuständigkeit bei Rückabwicklung eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrages

 

Zwischen Anlegerschutz und Marktverzerrung – Die BaFin greift beim Vertrieb von Turbo-Zertifikaten durch
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Mit Allgemeinverfügung vom 15. Oktober 2025 greift die BaFin in den Vertrieb von Turbo-Zertifikaten an Kleinanleger in Deutschland ein. Grundlage ist Art. 42 MiFIR in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG. Die Aufsicht reagiert damit auf eine zuvor veröffentlichte Marktuntersuchung, die für den Zeitraum 2019 bis 2023 gravierende Verluste von Kleinanlegern beim Handel mit Turbo-Zertifikaten offenlegte.
Kerninhalte der Verfügung
Die Allgemeinverfügung sieht kein vollständiges Verbot, sondern eine Beschränkung vor. Vertrieb und Vermarktung bleiben möglich, allerdings nur unter Einhaltung folgender Vorgaben:
– Standardisierte Risikowarnung: Sämtliche Marketing- und Vertriebsunterlagen, einschließlich Werbung durch Dritte (z. B. Finfluencer, Affiliate-Partner), müssen künftig eine von der BaFin vorgegebene Risikowarnung enthalten („Sieben von zehn Kleinanlegern erleiden Verluste beim Handel mit Turbo-Zertifikaten. Turbo-Zertifikate sind hoch risikoreiche Produkte und nicht für langfristige Anlagestrategien geeignet.“). Diese ist Kleinanlegern vor jedem Kauf unübersehbar anzuzeigen.
– Verbot von Vorteilen: Kleinanlegern dürfen im Zusammenhang mit dem Erwerb keine monetären oder nicht monetären Vorteile mehr gewährt werden. Verboten sind etwa Orderkostenrabatte, Boni, Prämien, aber auch bevorzugter Kundenservice oder privilegierter Zugang zu Emissionen.
– Verpflichtender Wissenstest: Vor jedem Erwerb ist eine Abfrage des sogenannten „Turbo-Basiswissens“ durchzuführen. Diese Abfrage gilt für maximal sechs Monate und muss danach wiederholt werden, ohne bestandenen Test ist ein Erwerb nicht möglich
Die Umsetzungsfrist beträgt acht Monate ab Bekanntgabe.
Begründung der BaFin
Die BaFin stützt ihre Maßnahme auf eine detaillierte Auswertung von rund 113 Mio. Transaktionen deutscher Kleinanleger. Ergebnis: Etwa 74 % der Anleger erzielten über den Zeitraum Verluste, im Schnitt über 6.000 Euro pro Person. Der aggregierte Verlust belief sich auf über 3,4 Mrd. Euro. Insbesondere Anleger mit hoher Handelsfrequenz waren überproportional betroffen.
Die Aufsicht hebt hervor, dass Turbo-Zertifikate strukturell ein ungünstiges Rendite-Risiko-Profil aufweisen. Neben der Knock-Out-Schwelle mit Totalverlustrisiko nennt sie die hohe Komplexität, kurze Haltedauer (über 70 % der Produkte werden innerhalb von 24 Stunden verkauft), erhebliche Kosten (durchschnittlich 8,2 % über die Laufzeit) sowie problematische Vertriebsmethoden. Die BaFin ordnet die Produkte daher eher in den Bereich kurzfristiger Spekulation mit Glücksspielcharakter ein als in den des langfristigen Vermögensaufbaus.
Kritische Einschätzung
Die Maßnahme markiert einen erheblichen Eingriff in den Vertrieb von Hebelprodukten. Aus Sicht der Banken und Wertpapierhäuser ist kritisch anzumerken, dass die BaFin hier mit sehr weitgehenden Mitteln agiert, ohne hinreichend zwischen unterschiedlichen Nutzungsarten von Turbo-Zertifikaten zu differenzieren. Zwar ist unbestreitbar, dass ein großer Teil der Kleinanleger Verluste erlitten hat – dies entspricht jedoch im Kern dem inhärenten Risiko eines spekulativen Produkts. Turbo-Zertifikate dienen nicht ausschließlich der kurzfristigen Spekulation, sondern werden von professionelleren Anlegern durchaus auch im Rahmen von Absicherungsstrategien genutzt.
Besonders problematisch erscheint die Pflicht zur wiederholten Wissensabfrage. Diese führt zu erheblichem administrativem und technischem Mehraufwand, ohne zwingend den gewünschten Anlegerschutzeffekt zu erzielen. Vielmehr besteht die Gefahr, dass Anleger den Test routinemäßig „durchklicken“, während Institute gezwungen sind, aufwändige IT-Strukturen vorzuhalten. Auch das Verbot jeglicher Vorteile dürfte faktisch zu einer Verteuerung des Produkts für Endkunden führen und verschiebt den Wettbewerb zugunsten von Neobrokern mit ohnehin geringen Kostenstrukturen.
Meines Erachtens droht die BaFin mit dieser Maßnahme, den Markt in Deutschland strukturell zu schwächen. Die Anbieter sehen sich mit komplexen Pflichten konfrontiert, während der grenzüberschreitende Vertrieb ausländischer Institute weniger restriktiv geregelt bleibt. Damit entsteht das Risiko einer Wettbewerbsverzerrung zulasten deutscher Marktteilnehmer. Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, dass die Aufsicht zwar den legitimen Schutzgedanken verfolgt, dabei jedoch die Verhältnismäßigkeit und die Marktfolgen unzureichend berücksichtigt. Vor allem die Frage, wie nachhaltig die Wirksamkeit der Regelungen im Zeitalter global agierender Plattformen sein wird, bleibt deshalb kritisch zu beobachten.
Letztendlich wälzt die Maßnahme einseitig die Verantwortung auf die Institute ab. Viel wichtiger wäre es meines Erachtens, die finanzielle Allgemeinbildung und Eigenverantwortung der Anleger in gleichem Maße zu stärken.

Larissa Normann, Frankfurt am Main
larissa.normann@goehmann.de

 

 

EuGH zur Verzugszinssatzangabe, zum Rechtsmissbrauch sowie zu den Widerrufsfolgen
Urteil des EuGH vom 30.10.2025 – C-143/23
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Mit seinem Urteil vom 30.10.2025 (C-143/23) hat sich der EuGH (nochmals) vertiefend zu der Bedeutung der Angabe des Verzugszinssatzes für den Verbraucher, dem Einwand der missbräuchlichen Ausübung des Widerrufrechts sowie zu den Rechtsfolgen des Widerrufs eines verbundenen Kreditvertrags geäußert.
Der EuGH hat zunächst erneut darauf hingewiesen, dass zwischen unvollständigen oder fehlerhaften und gänzlich fehlenden Pflichtangaben zu differenzieren sei (Rn. 70). Sodann hat er wiederholt, dass die Angabe des Verzugszinssatzes mittels eines konkreten Prozentsatzes erfolgen muss und auch der Mechanismus seiner Anpassung konkret zu beschreiben ist (Rn. 72). Im Anschluss an seine bisherige Rechtsprechung (Urteil vom 21.12.2023 – C-38/21, C-47/21 und C-232/21) hat der EuGH nun entschieden, die korrekte Angabe des Verzugszinssatzes sei „unerlässlich, damit der Verbraucher den Umfang seines vertraglichen Engagements abschätzen kann“ (Rn. 73). Die Angabe des Verzugszinssatzes könne also nach Ansicht des EuGH sowohl die Vertragsschlussentscheidung des Verbrauchers als auch seine Fähigkeit, die Rückzahlung zu organisieren, beeinflussen (Rn. 73). Diese Einschätzung ist in zweierlei Hinsicht zu hinterfragen. Zum einen ist der Verzugszinsanspruch eines Gläubigers ein gesetzlicher Anspruch und hat somit mit dem vertraglichen Engagement im Sinne der eingegangenen Vertragsverpflichtungen nichts zu tun. Hier könnte eher erwogen werden, dem Kreditgeber bei einer unzureichenden Information in Bezug auf die Konsequenzen eines Verzugs seinen Anspruch auf Verzugszinsen zu versagen. Zum anderen ist der Verzugszinssatz für die Organisation der Kreditrückzahlung ohne Bedeutung; vielmehr stellt der Verzug die Folge einer unzureichenden Organisation der Rückzahlung dar.
Hinsichtlich einer möglicherweise rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts hat der EuGH wiederholt, dass diese Frage anhand des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes zu beantworten ist, dass eine Berufung auf unionsrechtliche Normen in betrügerischer oder missbräuchlicher Weise zu versagen sei (Rn. 78). Demnach komme eine Inanspruchnahme unionsrechtlicher Bestimmungen dann nicht in Betracht, wenn sie der Erreichung eines unionsrechtlich vorgesehenen Vorteils dienen soll, obwohl die unionsrechtlichen Voraussetzungen lediglich formal vorliegen (Rn. 80). Der EuGH hat nochmals ausdrücklich klargestellt, der Tatrichter habe bei der Bewertung dieser Frage „alle Tatsachen und Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, einschließlich derjenigen aus der Zeit nach dem Vorgang, dessen missbräuchlicher Charakter geltend gemacht wird“ (Rn. 82) und darauf verwiesen, dass allein der Ablauf einer erheblichen Zeitspanne zwischen Vertragsschluss und Widerruf keinen Rechtsmissbrauch begründe (Rn. 83). Daraus folge nach Ansicht des EuGH, dass eine rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerrufsrechts nicht in Betracht komme, wenn der Verzugszinssatz nicht in Form eines konkreten Prozentsatzes angegeben wurde, denn dann habe die Widerrufsfrist nicht begonnen (Rn. 84). Dieser Rückschluss ist schlicht nicht nachvollziehbar. Die Frage nach der rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts stellt sich schließlich nur dann, wenn die Widerrufsfrist noch nicht abgelaufen ist, wozu auch die Situation gehört, dass sie noch nicht begonnen hat. Ist der EuGH etwa so zu verstehen, dass ein rechtsmissbräuchlicher Widerruf nur nach Beginn der Widerrufsfrist, aber vor deren Ablauf in Frage kommt?
Im Hinblick auf die Rechtsfolgen eines Widerrufs eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Kreditvertrags hat der EuGH klargestellt, dass die Verbraucherkreditrichtlinie insofern keine Vollharmonisierung anstrebt und diese Frage auch nicht regelt (Rn. 89).
Nationalstaatliche Regelungen zu einer Wertersatzpflicht seien somit allein am Effektivitätsgrundsatz zu messen (Rn. 91). Dabei führe allein die Tatsache, dass der Wertersatz in Relation zu dem entrichteten Kaufpreis hoch ausfallen kann, nicht zu der Einschätzung, die zugrunde liegende nationale Regelung sei unverhältnismäßig oder erschwere bzw. verhindere die Ausübung des Widerrufsrechts (Rn. 97). Allerdings sei der reine Preisunterschied zwischen dem Kauf- und dem Wiederverkaufspreis dann nicht geeignet, den auszugleichenden Wertverlust aufgrund der Nutzung des Fahrzeugs zu bestimmen, wenn darin einseitig vom Händler zu bestimmende, von der Nutzung des Fahrzeugs unabhängige Faktoren, wie etwa die Gewinnmarge und Kosten für den Weiterverkauf, sowie die Umsatzsteuer einflössen (Rn. 98). In dem Fall scheine die Preisvergleichsmethode nach der Darstellung des Vorlagegerichts dem Verbraucher eine Belastung aufzuerlegen, die sich allein aus der Ausübung des Widerrufsrechts, nicht aber aus der Nutzung des Fahrzeugs ergibt (Rn. 98). Der EuGH nutzt hier als Gedankenkrücke den vom Vorlagegericht angeführten Vergleich mit der Berechnung in einer Situation, in der das Fahrzeug nie angemeldet und benutzt wurde (Rn. 98). Der EuGH scheint also darauf zu drängen, dass bei einem Preisvergleich der Kaufpreis um die Umsatzsteuer und die Händlermarge zu reduzieren ist. Unklar ist, wie Kosten für den Weiterverkauf Berücksichtigung finden sollen.
Schließlich hat der EuGH immerhin noch klargestellt, dass die Pflicht des Verbrauchers, die vertraglichen Sollzinsen für den Zeitraum zwischen der Auszahlung der Darlehensmittel und der Rückgabe des Fahrzeugs zu entrichten, vor dem Hintergrund der Verbraucherkreditrichtlinie nicht zu beanstanden sei. Dies entspreche dem vertraglichen Gleichgewicht (Rn. 116), zumal die Sollzinsen keine Strafe, sondern ein Entgelt für die Ausreichung des Kapitals darstellten, welche für den Kreditgeber ein finanzielles Risiko darstelle (Rn. 115).
Es bleibt abzuwarten, wie der Bundesgerichtshof mit dieser Entscheidung umgeht, stellt sie doch dessen Rechtsprechung einmal mehr an den Pranger.

Michael Dreyer, Frankfurt am Main
michael.dreyer@goehmann.de

 

 

Zulässigkeit von Zustimmungsfiktion in Bauspar-AGB – OLG Frankfurt bestätigt differenzierte Vertragsänderungsklausel
Urteil vom 23. Juli 2025 (17 U 188/23)

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Das OLG Frankfurt hat die Wirksamkeit einer Klausel bestätigt nach der das Schweigen des Vertragspartners als Zustimmung zur Änderung der AGB einer Bausparkasse zu werten ist, weil keine wesentlichen Bestimmungen des Vertrages betroffen waren.
Der Entscheidung liegt ein Berufungsverfahren zugrunde, indem ein Verbraucherverband gegen AGB-Klauseln einer Bausparkasse vorging. Dabei beschäftigt sich das Urteil schwerpunktmäßig mit einer Klausel nach der das Einverständnis des Bausparers bei AGB-Änderungen als erteilt gilt, wenn er nicht widerspricht.
Die unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners wurde vermutet, weil dies einen Verstoß gegen den wesentlichen Grundgedanken, dass AGB nur Bestandteil eines Vertrages werden, wenn die andere Vertragspartei damit einverstanden ist, darstellt. Die Vermutung war nach Ansicht des Gerichts widerlegt.
Das Gericht stellt klar, dass der BGH mit Urteil vom 27. April 2021, XI ZR 26/20 keine absolute Grenze gezogen hat; Vertragsänderungsklauseln mit Zustimmungsfunktion sind nicht standardmäßig unwirksam. Der BGH hatte in diesem Urteil grundlegend entschieden, dass Vertragsänderungsklauseln mit Zustimmungsfunktion nicht sachlich gerechtfertigt sind, wenn sie eine weitreichende und grundlegende Änderung der Beziehung der Parteien, gleich dem Abschluss eines neuen Vertrages oder das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung zu Lasten des Vertragspartners verschieben.
Die streitgegenständliche Klausel hat eine nur untergeordnete Bedeutung, da die Änderungsfiktion sich nicht auf Hauptleistungspflichten bezieht, sondern allein auf untergeordnete, konkrete Nebenpunkte des Vertrages, was für einen durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher auch unschwer zu erkennen war. Im Kontext der vorangehenden Klausel waren mehrere Regelungen von der Zustimmungsfiktion der AGB der Bausparkasse ausgenommen, namentlich solche, die einer Zustimmung der BaFin nach § 9 Abs. 1 S. 1 BausparkG bedürfen. Genehmigungspflichtigen Änderungen gehören zu den wesentlichen Bestimmungen und dürfen daher nicht von der Zustimmungsfiktion erfasst sein.
Praxistipp: Bausparkassen sollten darauf achten, dass Klauseln mit Zustimmungsfiktion nur Nebenpunkte eines Vertrages betreffen und ausdrücklich wesentliche Bestimmungen von diesem Mechanismus ausnehmen. Zur Wirksamkeit gegenüber Kunden sollte insbesondere verständlich und ausdrücklich auf Möglichkeiten der Änderungen von AGB und das Recht, sowie die Folgen eines unterlassenen Widerspruchs hingewiesen werden.

Miriam Leinemann, Frankfurt am Main
miriam.leinemann@goehmann.de

 

 

BGH zur groben Fahrlässigkeit bei einer durch Betrug veranlassten Überweisung aufgrund des Anrufs einer angeblichen Bankmitarbeiterin
BGH, Urteil vom 22.07.2025 zu Az. XI ZR 107/24

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Die Kläger sind Inhaber eines Girokontos und nutzen bei Online-Überweisungen das chipTAN-Verfahren, bei dem die TAN über ein gesondertes Gerät (TAN-Generator) generiert wird. Die Klägerin versuchte, die PIN zu ihrem Online-Banking zu ändern, was ihr nicht gelang. Sodann wurde die Klägerin um 23 Uhr von einer vermeintlichen Bankmitarbeiterin angerufen, wobei die Telefonnummer der beklagten Bank angezeigt wurde (sog. „Call-ID-Spoofing“). Die Anruferin erklärte, dass die Installation eines neuen Sicherheitsprogramms erforderlich sei, und bot an, den angeblich hierfür erforderlichen Identifizierungsprozess für die Klägerin durchzuführen. Hierfür sollte die Klägerin in ihren TAN-Generator eine bestimmte Zahlenfolge eingeben und sodann der Anruferin die generierte TAN durchgeben. Dies gelang jedoch nicht, da sich die Klägerin mehrfach vertippte. Am nächsten Tag um 18:15 Uhr meldete sich die Anruferin erneut und es wurde die Prozedur wiederholt. Die Klägerin tippte die telefonisch durchgegebene Zahlenfolge in ihren TAN-Generator ein und gab mehrere erzeugte TANs an die Anruferin weiter. Infolgedessen wurde durch die Anruferin das Überweisungslimit erhöht und eine Echtzeitüberweisung vorgenommen.
Die Kläger verlangten mit ihrer Klage gegen die Bank die Erstattung des überwiesenen Betrages.
Der BGH bestätigte im Rahmen des Revisionsverfahrens die Feststellung des Berufungsgerichts, dass einem Erstattungsanspruch der Kläger ein Schadensersatzanspruch der Bank entgegenstehe, da die Klägerin grob fahrlässig gegen ihre vertraglichen Pflichten verstoßen habe, indem sie im Rahmen des zweiten Telefonats mehrere TANs an die unbekannte Anruferin weitergegeben habe. Der BGH stellte zunächst fest, dass die Frage, ob eine Fahrlässigkeit als einfach oder als grob zu bewerten sei, der tatrichterlichen Würdigung unterliege, welche vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar sei. Die entsprechenden Feststellungen des Berufungsgerichts seien jedoch nicht zu beanstanden. Insbesondere sei im vorliegenden Fall nicht von einem bloßen „Augenblicksversagen“ auszugehen, da die Weitergabe der TANs erst im Rahmen des zweiten Telefonats erfolgten und somit die Klägerin fast einen ganzen Tag Zeit hatte, die ungewöhnlichen Umstände des ersten Telefonats zu reflektieren. Der Annahme einer groben Fahrlässigkeit stehe auch nicht entgegen, dass im Display des Telefons die Telefonnummer der Bank angezeigt wurde, zumal nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Bank auf ihrer Webseite und im Online-Banking vor betrügerischen Anrufen vermeintlicher Bankmitarbeiter gewarnt habe und hierüber auch umfangreich in den öffentlichen Medien berichtet wurde. Der Umstand, dass bei der ersten Anmeldung im Online-Banking keine starke Kundenauthentifizierung verlangt worden sei, könne zwar grundsätzlich im Rahmen des Mitverschuldens gemäß § 254 BGB berücksichtigt werden. Im vorliegenden Fall würde im Rahmen der Abwägung gemäß § 254 BGB der Verursachungsbeitrag der Bank jedoch vollständig hinter dem Verursachungsbeitrag der Klägerin zurücktreten.
Das Urteil des BGH verdient Zustimmung und steht im Einklang mit zahlreichen OLG-Entscheidungen, welche bei der Freigabe bzw. Weitergabe von TANs aufgrund der Aufforderung eines unbekannten Anrufers, welcher sich als Bankmitarbeiter ausgibt, regelmäßig von einer groben Fahrlässigkeit des Bankkunden ausgehen. Andererseits wird durch das BGH-Urteil deutlich, dass die Frage der groben Fahrlässigkeit (insbesondere die Abgrenzung zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit) stets eine Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls voraussetzt.

Florian Stritzke, Frankfurt am Main
Florian.stritzke@goehmann.de

 

 

BGH: Örtliche Zuständigkeit bei Rückabwicklung eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrages
BGH, Beschluss vom 6. Mai 2025 – X ARZ 38/25

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Der BGH hat sich mit Beschluss vom 6. Mai 2025 (X ARZ 38/25) mit der Frage der Gerichtsstandsbestimmung im Kontext der Rückabwicklung eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Verbraucherdarlehensvertrags befasst.
Der Kläger erwarb ein Kraftfahrzeug und finanzierte einen Teil des Kaufpreises mittels eines Verbraucherdarlehensvertrags, der durch den Verkäufer vermittelt worden war. Aufgrund von vermeintlichen Sachmängeln am Fahrzeug erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag. Darüber hinaus erklärte der Kläger den Widerruf des verbundenen Darlehensvertrages, da ihm die gemäß § 492 BGB erforderlichen Pflichtangaben nicht ordnungsgemäß erteilt worden seien. Die beklagte Bank verweigerte die Rückerstattung der vom Kläger entrichteten Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von EUR 1.420,37.
Der Kläger erhob daraufhin Klage vor dem Amtsgericht Seligenstadt gegen die Bank sowie den Fahrzeughändler auf gesamtschuldnerische Rückzahlung der geleisteten Beträge. Die Bank rügte die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts, woraufhin der Kläger die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands beantragte. Das hierfür zuständige Oberlandesgericht Frankfurt am Main legte das Verfahren nach § 36 Abs. 3 Satz 1 ZPO dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vor, da es hinsichtlich der Bestimmung des maßgeblichen Erfüllungsorts von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte abzuweichen beabsichtigte.
Während zahlreiche Oberlandesgerichte die Auffassung vertreten, sämtliche im Zuge der Rückabwicklung eines widerrufenen Verbraucherdarlehensvertrags sowie des damit gemäß § 358 BGB verbundenen Kaufvertrags entstehenden Ansprüche seien an dem Ort zu erfüllen, an dem sich die Kaufsache zum Zeitpunkt des Widerrufs vertragsgemäß befindet, gelangte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zu einer abweichenden Einschätzung. Es betonte, dass der Erfüllungsort für jeden Rückabwicklungsanspruch gesondert zu bestimmen sei, sodass kein einheitlicher Erfüllungsort und folglich kein gemeinsamer Gerichtsstand für die beteiligten Parteien vorliege.
Der BGH bestätigte die Rechtsauffassung des Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Der Widerruf eines verbundenen Verbraucherdarlehensvertrags führe nicht automatisch zu einem einheitlichen Erfüllungsort für alle daraus resultierenden Ansprüche. Vielmehr sei der Erfüllungsort jeweils gesondert nach der Natur des einzelnen Anspruchs zu bestimmen, sodass sich daraus verschiedene Gerichtsstände ergeben können. Im konkreten Fall sei der Erfüllungsort für die Rückzahlung der Zins- und Tilgungsleistungen nach § 269 BGB am Sitz der jeweiligen Beklagten anzusiedeln. Ein gemeinsamer Gerichtsstand bestehe somit nicht.
Zur Sicherstellung einer prozessökonomischen Verfahrensführung bestimmte der BGH im konkreten Fall das Amtsgericht Mönchengladbach als zuständiges Gericht, da die Bank als Darlehensgeberin gemäß § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB die primäre Vertragspartnerin für die Geltendmachung der Rechtsfolgen des Widerrufs sei.
Der Beschluss des BGH schafft Klarheit hinsichtlich der Bestimmung des örtlichen Gerichtsstandes bei der Rückabwicklung verbundener Verträge. Die Entscheidung trägt zur Rechts- und Planungssicherheit im Verbraucher- und Prozessrecht bei und stärkt zugleich die dogmatische Trennung der jeweiligen Leistungsbeziehungen.

Pascal Schäfer, Frankfurt am Main
pascal.schaefer@goehmann.de