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Newsletter Bau- und Vergaberecht 39/2020

12.11.2020 | Newsletter

Keine Fälligkeit der Vergütung ohne Abnahme

Mit der Abnahme wird die Vergütung des Bauunternehmens fällig. Liegen wesentliche Mängel vor, ist die Leistung nicht abnahmefähig. Eine Abnahmefiktion kommt nur dann in Betracht, wenn dem Bauherrn eine Frist zur Abnahme gesetzt worden ist (OLG München, Urteil vom 30.07.2019 – 9 U 3463/18 Bau – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 20.04.2020 – VII ZR 183/19).

Unzureichende Bedenkenanmeldung führt zu keinem Mitverschulden des Bauherrn

Der Bauunternehmer hat eine Bedenkenanmeldung gegenüber dem Bauherrn angesprochen. Diese ist inhaltlich allerdings nicht ausreichend. Der Besteller hat daher nicht reagiert. Es kommt zu Mängeln. Dadurch kann dem Besteller kein Mitverschulden angelastet werden (OLG Rostock, Urteil vom 15.09.2020 – 4 U 16/20).

Gutachten bei ungeeignetem Verfahren mangelhaft

Die Parteien schließen einen Vertrag über die gutachterliche Prüfung von etwaigen Mängeln. Der Vertrag ist als Werkvertrag anzusehen. Denn der Gutachter soll nach der Prüfung einen Prüfbericht erstellen. Das von dem Gutachter eingesetzte Verfahren ist nicht geeignet, die in Rede stehenden Mängel festzustellen. Es gibt kein technisches Regelwerk für ein Verfahren zur Feststellung der Mängel. Gleichwohl ist die Leistung mangelhaft (OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.01.2020 – 5 U 240/18 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen BGH, Beschluss vom 24.05.2020 – VII ZR 27/20).

Vergabestelle legt die Bauweise fest

Die Vergabestelle entscheidet, in welcher Weise die Bauleistung ausgeführt wird. Sie kann in der Ausschreibung die Leistung nach Art und Umfang definieren. Ob der Bedarf sinnvoll definiert wurde oder ob andere Varianten vorteilhafter oder wirtschaftlicher wären, ist durch die Nachprüfungsinstanzen nicht zu hinterfragen (VK Nordbayern, Beschluss vom 16.09.2020 – RMF – SG 21 – 3194 – 5 – 534).

Ungültige Bescheinigungen sind gegenstandslos

Die Bieter haben Bescheinigungen für die Geeignetheit der Leistung vorzulegen. Diese sind bei Einreichung nicht mehr gültig. Sie sind daher als fehlende Unterlagen anzusehen (VK Nordbayern, Beschluss vom 15.11.2019 – RMF – SG 21 – 3194 – 4 – 15; OLG München, Beschluss vom 17.12.2019 – Verg 25/19).

Fehlende Beratung zum Schallschutz ist ein gravierender Planungsfehler

Ein Unternehmen verpflichtet sich, ein Fertighaus nach den anerkannten Regeln der Technik zu errichten. Das Unternehmen schuldet damit einen üblichen Qualitäts- und Komfortstandard. Maßgebend für das einzuhaltende Schalldämmmaß können sich aus den Regelwerken der Schallschutzstufen II und III der VDI-Richtlinie 4100 aus dem Jahr 1994 oder aus dem Beiblatt 2 zur DIN 4109 ergeben. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen muss der Unternehmer mit den Bauherren ausführlich die schallschutztechnischen Anforderungen an das Bauwerk erörtern. Erfolgt dies nicht, liegt ein gravierender Planungsfehler vor (OLG Saarbrücken, Urteil vom 30.07.2020 – 4 U 11/14).

Bedarfsposition – keine Preisanpassung bei Mengenänderungen

Die Regelung des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B mit einer möglichen Änderung der Einheitspreise bei Mengenänderungen findet auf Bedarfspositionen keine Anwendung. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Parteien von einer bestimmten zu erwartenden Mehrmenge bei der Bedarfsposition ausgegangen sind (OLG Jena, Urteil vom 10.01.2020 – 4 U 812/15 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, BGH Beschluss vom 02.07.2020 – VII ZR 18/20).

Planer muss auf Kostenerhöhungen hinweisen

Der mit Architektenleistungen beauftragte Planer muss die Kostenvorgaben des Bauherren beachten. Auf Kostensteigerungen muss der Planer rechtzeitig hinweisen. Die Ermittlung des Schadens erfolgt anhand der Überlegung, wie der Bauherr wirtschaftlich stehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht unterblieben wäre. Es ist zu vergleichen, wie der Bauherr mit und ohne Pflichtverletzung stünde. Maßgeblich ist auf eine Betrachtung zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (OLG München, Urteil vom 20.11.2018 – 28 U 705/15 Bau).

Klarstellungen sind keine Änderung an Vergabeunterlagen

Klarstellende und dem besseren Verständnis dienende Zusätze und offensichtlich irrtümliche Eintragungen, wie Schreibfehler, stellen keine Änderungen an den Vergabeunterlagen im Sinne des § 57 Abs. 4 Nr. 4 VgV mit der Rechtsfolge eines Ausschlusses aus dem Vergabeverfahren dar (Kammergericht, Beschluss vom 04.05.2020 – Verg 2/20).

Widersprüchliches Verhalten der Vergabestelle unzulässig

Der Bauherr ist berechtigt, zu prüfen, ob der Bieter die Ziele einer Ausschreibung von Entwicklungsleistungen voraussichtlich erreichen wird. Er muss nicht auf dessen Zusicherungen kritiklos vertrauen. Die Prüfung des Auftraggebers ist auf die Analyse von Kapazitäten des Bieters und seine allgemeinen Überlegungen ausgehend vom derzeitigen Entwicklungsstand hin zum fertigen Produkt, beschränkt. Bei der Analyse und Prüfung darf die Vergabestelle sich nicht in Widerspruch zu den in der Vergabebekanntmachung bekannt gemachten Vorgehensweise setzen (VK Bund, Beschluss vom 18.09.2020 – VK2 – 49/20).

Keine Erschwerniszulage bei funktionaler Leistungsbeschreibung

Der Unternehmer ist mit Abbrucharbeiten in einem Gebäude im Hinblick auf sämtliche Verkleidungen an Wänden, Decken, Trennwänden und Durchgängen sowie Bodenbelägen und Wandbeschichtungen beauftragt. Die Leistung ist funktional beschrieben. Erschwerniszuschläge stehen dem Unternehmen daher nicht zu (OLG München, Urteil vom 13.11.2019 – 27 U 4740/18 Bau – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 26.08.2020 – VII ZR 276/19).

Unterschriebenes Abnahmeprotokoll muss keine Abnahme sein

Auch wenn der Bauherr ein Abnahmeprotokoll unterschrieben hat, kann es an der Abnahme fehlen. Es kommt auf die Gesamtumstände des Einzelfalls und die Willensbekundungen des Bauherrn an (OLG München, Beschluss vom 18.03.2019 – 28 U 3311/18 Bau – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 20.04.2020 – VII ZR 68/19).

Ausführungsplanung mangels Integration der Tragwerksplanung mangelhaft

Der Objektplaner ist verpflichtet, seine Leistungen mit den beteiligten Fachplanungsleistungen zu koordinieren und insbesondere die Leistungsergebnisse in seine Leistungen zu integrieren. Weiß der Planer, dass der Tragwerksplaner die ihm obliegenden Gesamtstatik erstellt hat und integriert er diese nicht, ist die Planungsleistung des Objektsplaners mangelhaft (OLG München, Urteil vom 13.12.2017 – 27 U 4877/16 Bau – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 02.07.2020 – VII ZR 23/18).

Bei falschem Auftragswert keine Berücksichtigung eines Risikozuschlags

Die Ermittlung des Auftragswertes ist methodisch nicht vertretbar. Die angewandte Methode führt zu keinem realitätsnahen Ergebnis. Der Risikozuschlag von 10 % ändert an einer solchen falschen Kostenermittlung nichts (VK Südbayern, Beschluss vom 28.09.2020 – 3194. Z3 – 301 – 20 – 11).

Ungewöhnlich niedriges Angebot

Bei einem ungewöhnlich niedrig erscheinenden Angebot hat die Vergabestelle die Angemessenheit der Preise anhand der vorliegenden Unterlagen über die Preisermittlung zu beurteilen. Bezugspunkt ist das nächsthöhere Angebot mit 100 %. Ausgehend von dem zweitgünstigsten Angebot, das noch als auskömmlich betrachtet wird, ist der Abstand zu demjenigen Angebot zu ermitteln, das mit dem Vorwurf der Unauskömmlichkeit belegt ist (VK Sachsen, Beschluss vom 14.08.2020 – 1/SVK/022 – 20).

Widersprüche der Leistungsbeschreibung zu Lasten des Bauherrn

Es besteht in den Bauvertragsunterlagen ein Widerspruch. Die Parteien können keine Verständigung über die auszuführende Leistung herbeiführen. Unklar ist, ob voll verglast oder teilverglaste Aufzüge geschuldet sind. Mit der Pauschalvergütung wird nur die preiswertere Variante abgegolten. Verlangt der Bauherr eine höherwertige Leistung, ist sie gesondert zu vergüten. Denn Widersprüche in den Vertragsunterlagen gehen zu Lasten des Bauherrn (OLG Dresden, Urteil vom 19.06.2018 – 6 U 1233/17 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen BGH, Beschluss vom 23.09.2020 – VII ZR 145/18).

Keine fiktiven Mangelbeseitigungskosten im Baurecht

Aufgrund einer Anfrage des 5. Zivilsenats an den 7. Zivilsenat hat dieser klargestellt, dass es bei seiner Rechtsprechung bleibt:

Der Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) ist nicht anhand der voraussichtlich erforderlichen aber noch nicht aufgewendeten fiktiven Mangelbeseitigungskosten zu bemessen.

Der Schadensersatzanspruch richtet sich auf eine Vorfinanzierung (Vorschuss) in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags (BGH, Beschluss vom 08.10.2020 – VII ARZ 1/20).

Keine günstigere Variante durch Statiker bei vorgegebenen Lastkonzept zu planen

Der Tragwerksplaner muss die wirtschaftlichen Interessen des Bauherrn berücksichtigen. Er darf keinen übermäßigen Aufwand betreiben. Wird ihm jedoch verbindlich vorgegeben, wie die statische Berechnung unter Einplanung von Mikropfählen zu erfolgen hat, ist der Statiker nicht zur Prüfung dahingehend erforderlich, ob die Mikropfähle überhaupt erforderlich sind (OLG Dresden, Beschluss vom 03.12.2019 – 6 U 1669/19 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen BGH, Beschluss vom 02.07.2020 – VII ZR 3/20).

Keine Hinweispflicht des Planers auf dilettantisch arbeitendes und vormals zuverlässiges Unternehmen

Der Bauherr beauftragt, um Kosten zu sparen, keine Bauüberwachung. Daher wurde die Schlechtleistung des Bauunternehmens im Zuge der Bauausführung nicht festgestellt. Der Bauherr kann dem mit der Leistungsphase 1-7 beauftragten Architekten nunmehr nicht mit dem Vorwurf begegnen, er hätte auf die dilettantische Tätigkeit hinweisen müssen (OLG Dresden, Urteil vom 04.06.2019 – 10 U 1545/14 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 23.09.2020 – VII ZR 158/19).

Keine ungeschriebenen Eignungskriterien

In der Ausschreibung darf die Vergabestelle nur Eignungskriterien im Sinne des § 122 Abs. 2 S. 2 Nr. 1-3 GWB angeben. Die Aufzählung ist abschließend. Die Vergabestelle kann keine ungeschriebenen Eignungskriterien benennen. Dies gilt etwa für das geforderte Eignungskriterium „rechtliche Leistungsfähigkeit“. Auch öffentlich-rechtliche Beschränkungen des Tätigkeitsfelds lassen die Eignung des Bieters nicht entfallen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.10.2020 – Verg 36/19).

Nebenangebote sind zu kennzeichnen

Die Vergabestellen müssen alle wichtigen Angebotsbestandteile einheitlich kennzeichnen oder aber verbinden, um einen nachträglich versehentlichen Austausch einzelner Bestandteile des Angebots oder deren Entfernung zu verhindern. Ein Nebenangebot ist ein solcher wesentlicher Angebotsbestandteil (VK Sachsen–Anhalt, Beschluss vom 19.03.2020 – 3 VK LSA 6/20).